YES WE(ED) CAN!

Mit Spannung – aber trotz Krankheit auch mit einer gesunden Portion Skepsis – wird in Patientenkreisen aktuell der „frische Wind“ beim BfArM zur Kenntnis genommen, der sich in erster Linie durch die Arbeitsaufnahme einer neuen Sachbearbeiterin im sogenannten „Geschäftsbereich 82“ der Bundesopiumstelle abzeichnet.

Zuständig für Anträge auf eine Ausnahmegenehmigung nach § 3 BtMG zur Vergabe von Cannabis bzw. Cannabis-Extrakt zur ärztlich begleiteten Selbsttherapie ist seit einigen Monaten Frau Therese Unbehaun. Ersten Patientenberichten zufolge ist Frau Unbehaun aufgeschlossen, engagiert und hilfsbereit, liest sich mit Akribie durch die teils überaus umfangreichen Akten und scheut auch nicht vor Telefonanrufen bei Antragstellern zurück, denen (z.T. nach jahrelangem Warten) nun eine gute Nachricht in Form einer Genehmigung zur Verwendung von medizinischem Cannabis ins Haus steht.

In etwa zeitgleich hat sich das BfArM nach direkter Einflussnahme einiger Politiker dazu entschlossen, die bisher nahezu unzumutbar hohen Hürden für Ärzte bei der Unterstützung von betroffenen Kranken abzubauen. Das Antragsverfahren wird dahingehend erleichtert, dass die den therapeutischen Einsatz von Cannabis befürwortenden Ärzte künftig keine allumfassenden Darstellungen von Krankenberichten von der Art eines spezifizierten Gutachtens mehr erstellen müssen, sondern nur noch einen aussagekräftigen Arztbericht. Dieser Arztbericht muss enthalten:

1.1   Differenzierte Darstellung des Krankheitsbildes und der aktuell bestehenden Symptomatik (z.B. chronisches Schmerzsyndrom mit Darstellung der unterschiedlichen Schmerzkompo-nenten oder Multiple Sklerose mit therapieresistenter schmerzhafter Spastik.

1.2   Angabe der bisher durchgeführten medikamentösen Therapie mit Fertig- und/oder  Rezepturarzneimitteln zur Behandlung der Erkrankung bzw. Symptomatik (einschließlich Angaben zur Dosierung und Anwendungsdauer). Angaben dazu, aus welchem Grund eine  Therapie nicht weitergeführt wurde (z.B. nicht ausreichende/fehlende Wirksamkeit und/oder nicht zumutbare Nebenwirkungen).

1.3   Darstellung des sog. Compliance-Verhalten der Patientin / des Patienten, d.h. Angaben darüber, ob eine Bereitschaft zur Einhaltung von Therapieempfehlungen und Anweisungen des behandelnden Arztes in der Vergangenheit bestanden hat.

1.4   Eine Erklärung, dass zur Behandlung der Erkrankung bzw. der vorliegenden Symptomatik keine vergleichbar geeigneten Therapiealternativen vorliegen und/oder nicht zur Verfügung stehen (z.B. Vorlage einer Bescheinigung der Krankenversicherung, dass die Kosten für eine wirksame Therapie mit Dronabinol nicht übernommen wurden).

1.5   Vorlage einer patientenbezogenen Risiko-Nutzen-Einschätzung bezüglich der Anwendung von Cannabis.

2.   Angaben der betreuenden/begleitenden ärztlichen Person zur Dosierung des beantragten Betäubungsmittels unter Berücksichtigung des Gehaltes an Delta-9-Tetrahydro-cannabinol (Erklärungsvordruck Arzt – erhältlich über die Homepage des BfArM unter Bundesopiumstelle / Formulare).

3.   Eine Erklärung der verantwortlichen Person für die Einhaltung der betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften (Erklärungsvordruck für den Verantwortlichen – erhältlich über die Homepage des BfArM unter Bundesopiumstelle / Formulare).

4.   Eine lesbare beidseitige Kopie des Personalausweises der Patientin/des Patienten.

5.   Eine Erklärung der Antragstellerin/des Antragstellers, wie das Betäubungsmittel vor dem unberechtigten Zugriff Dritter geschützt werden soll.

Das SCM begrüßt die getroffenen Erleichterungen und weist überdies darauf hin, dass nach Bekunden von Frau Unbehaun auch der sog. „Vorstrafen-Passus“ – d.h. die frühere Klassifizierung von (kranken) Personen als „ungeeignet zur Teilnahme am Betäubungsmittel-Verkehr, „weil unzuverlässig aufgrund von Vorstrafen“, weggefallen ist.

Zudem findet der Zwang zur Anschaffung eines Tresors für die Aufbewahrung des Cannabis keine Anwendung mehr, sondern weicht nunmehr einer einfachen Erklärung des Antragstellers, wie das Medikament vor dem Zugriff unberechtigter Dritter geschützt werden soll.

Letztlich entfällt für Patienten auch die Pflicht, vor der Antragstellung auf eine ärztlich begleitete Therapie mit Cannabis versuchsweise das Medikament Dronabinol® bzw. den sog. „Cannabis-Extrakt“ einzunehmen. Offenbar wird mit dem Wegfall dieser Auflagen dem Umstand Rechnung getragen, dass eine Kostenerstattung der Krankenkassen für die genannten Mittel noch immer nur in seltenen Ausnahmefällen möglich ist.

Positiv vom BfArM beschiedenen Antragstellern, die bei Apothekenpreisen von 16 – 22 € pro Gramm Cannabis vor ähnlichen Finanzierungsschwierigkeiten stehen wie bei Dronabinol® und Cannabis-Extrakt muss an dieser Stelle das Beschreiten des Rechtsweges vor dem Sozialgericht angeraten werden. Preise für ein Leiden-minimierendes und Lebensqualität-verbesserndes Mittel im Range einer (natürlich vorkommenden) Arznei, die doppelt bis dreifach höher sind als im illegalen Schwarzhandel, sollten nicht unwidersprochen hingenommen werden.

Das SCM bedankt sich bei allen Beteiligten für die Unterstützung, die zu den o.g. Erleichterungen geführt hat und hofft – auch mit dem BfArM – auf weitere konstruktive Zusammenarbeit.

Axel Junker

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