Was sagt der Patientenbeauftragte zur drohenden Änderung der Arzneimittelrichtlinie?

Bislang sagt Stefan Schwartze nichts. Was soll an einer drohenden Verschlechterung der ohnehin schon miesen medizinischen Versorgung von Patienten auch dran sein, das in seinen Arbeitsbereich fallen würde? 

Zwar hat sich sein Fraktionskollege Dirk Heidenblut im Bundestag mit deutlichen Worten geäußert. Der Patientenbeauftragte aber, in dessen originärem Arbeitsbereich das Thema verortet ist, bleibt hierzu bislang stumm. Anfragen unseres Selbsthilfenetzwerks nach einem Gespräch mit ihm werden durch das Büro abschlägig beantwortet, denn Stefan Schwartze sei zu beschäftigt, so wird kolportiert.

Dabei betreffen die vom G-BA geplanten Änderungen der Arzneimittelrichtlinie gerade solche Patienten, die mitunter schon seit Jahren um ihren Status kämpfen müssen. Und dies, während das Geschäft im oft auch unsauberen privatwirtschaftlichen Verschreibungssektor angesichts der noch anhaltenden Prohibition blüht.

Wir reden von ein bis zwei Prozent der Bevölkerung, die drohende Änderungen im Cannabis-als-Medizin-Gesetz betreffen würden. Und nicht nur die aktuellen ungefähren 0,1 Prozent, die es gemessen an der Bevölkerung aktuell an Cannabispatienten gibt. Denn würde es nicht wie bislang Hürden bei der Verschreibung wie den Genehmigungsvorbehalt und zuwenige verschreibende Ärzte geben, wäre die Informationslage besser, sowie die Abwehrhaltung gegenüber dem Medikament und die Stigmatisierung gegenüber verschreibenden Ärzten und Patienten geringer, dann würden wir gesamtgesellschaftlich eine höhere Quote an Cannabispatienten haben. Statt circa  0,1%, wie der aktuelle Stand ist, liegt die Bedarfsquote um ein vielfaches höher.

Dass wir in einer Klassengesellschaft mit Zwei-Klassen-Medizin leben, zeigt sich gerade um das Cannabis-als-Medizin-Gesetz mehr als deutlich. Oft haben Patienten Schwierigkeiten, verschreibende Kassenärzte zu finden. Eventuell verschreibende Ärzte haben wegen möglicher Regressforderungen durch die Krankenkasse Angst, ihren Patienten die wirklich benötigte Menge zu verschreiben – oder fragen sich angesichts von Verschärfungen der rund um die Verschreibung von Cannabis ohnehin überbordenden Bürokratie, ob sie den Aufwand weiter betreiben wollen.

Manche PatientInnen können es sich gerade so leisten, sich mangels verschreibender Kassenärzte über dubiose Verschreibungsmaschinen mit unseriöser und auch mal entgegen der  Gebührenordnung für Ärzte gerichteter Preisgestaltung mit den nötigen Rezepten zu versorgen. Und werden hierbei nicht selten betrogen.

Grundsätzlich gilt bereits, das ist systemimmanent, dass bei schlechterer finanzieller Ausstattung auch schlechter an ein Rezept zu kommen ist. Dieser Umstand würde sich durch die drohenden Änderungen verschärfen und vor allem solche Patienten mit geringeren finanziellen Mitteln stärker treffen. It’s capitalism, baby. Bereits jetzt liegen die Hürden, die überwunden werden müssen, um an ein Rezept zu kommen, sehr hoch.

Am Sektor Cannabismedizin, die nach wie vor eine Nachfragemedizin ist, zeigen sich bestehende gesellschaftliche Ungerechtigkeiten und Verteilungsprobleme sehr deutlich. Ohne gute Sprachkenntnisse beispielsweise fällt die Kommunikation mit Arzt und Kasse schwer. Es fällt auch schwerer, geeignete Hilfsangebote zu finden und diese zu nutzen, so überhaupt nötiges Wissen über Cannabismedizin und die Einsetzbarkeit bei den eigenen individuellen Leiden besteht – oder die besuchten Ärzte es haben, was noch eine Seltenheit ist. Denn Cannabis als Medizin ist leider immer noch ein Bereich, in dem sich viele Patienten besser auskennen, als behandelnde Ärzte.

Die Sphäre rassistischer Diskriminierung, die auch bei der Suche nach einem verschreibenden Arzt oder dem Kampf um die Kostenübernahme zum Tragen kommt, wird ebenfalls viel zu selten thematisiert. Denn Diskriminierung können sich Menschen, die nicht unbedingt Karl Meier heißen, leichter ausgesetzt sehen, wie zum Beispiel die unmöglichen Behauptungen über die Existenz eines angeblichen Morbus Mediterraneus zeigen. Während jungen Menschen, zum Beispiel ADHS’lern, die die Behandlung mit Cannabis für sich aufgrund positiver Effekte suchen, oft mit Argwohn und Misstrauen aufgrund ihres Alters begegnet wird, ob nun von Arzt, Krankenkasse oder MDK, können sich solche Effekte verstärken, wenn noch ein für Dr. Klaus Siebenschläfer exotischer Name dazu kommt: Ein junger Mann, eventuell gar nicht von hier, fragt nach Betäubungsmitteln – möglicherweise, um sie zu verkaufen oder um sich zu berauschen? Und weil er eben keinen Schmerz ertragen kann, so die mögliche Schlussfolgerung von Medizinern mit Vorurteilen.

Hat ein fünfundzwanziger Flüchtling aus Syrien oder dem Iran die gleichen Chancen, gegen sein Leiden mit Cannabinoiden behandelt zu werden, wie ein gleichaltriger Sven? Und könnte er sich alternativ einen verschreibenden Privatarzt leisten – was schon Sven kaum kann?

Es ist schade, dass Stefan Schwartze keine Zeit für Patientenverbände hat, während ihre Mitglieder sich Sorgen um ihre medizinische Versorgung machen müssen. Und dies, obwohl schon lange Verbesserungen angesagt wären.

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