Treffende Geschichte vom Goldesel-Gesetz

Mehr als zwei Jahre sind vergangen. Die Regierung hat dem drohenden Cannabis-Eigenanbau – Wildwuchs von Patienten im März 2017 per Gesetz einen schnellen Strich durch die Rechnung gemacht: Eigenanbau von Cannabis sei laut Bundesverwaltungsgerichts – Urteil unter gewissen Kriterien zwar rechtens (gewesen), jedoch die ab März 2017 geltende Verordnungsmöglichkeit von Cannabis und Cannabisprodukten, Kostenerstattung und Verfügbarkeit in Apotheken würden besagtes Urteil und das sich daraus ergebene Recht auf Eigenanbau quasi überflüssig machen.

Eigenanbau sei nicht zielführend und aus gesundheits- und ordnungspolitischer Sicht zu vermeiden.

Das Gesetz in seinen Auswirkungen erweist sich allerdings mehr und mehr als unzulängliches Machwerk.
Tatsache ist: Das BfArM legt aufgrund von Direktiven aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) das Gesetz in willkürlicher und restriktiver Manier gegen aktuelle Eigenanbau-Antragsteller aus. Anbau-Ablehnungsbescheide und Klage-Entgegnungen des Bundesinstituts versuchen seit mehr als 2 Jahren glauben zu machen, es lägen keine Versorgungsengpässe für Cannabisblüten vor, obgleich nach vielen anderen Medienbeiträgen selbst die Tagesschau* am 22.07.2019 darüber berichtete.

 

Es wird also weiterhin mit „Unwahrheiten“ getrickst; ähnlich wie es zuvor jahrelang im BfArM geheißen hatte, es bestünde kein öffentliches Interesse an Versorgung mit Medizinalcannabis. Für solche „Tricks“, die scheinbar mit mehrjähriger Laufzeit funktionieren, muss niemand im BfArM persönliche Verantwortung übernehmen. Es ist ja das BMG, das instruiert. Vermeidungsstrategien müssen eben notfalls mit fadenscheinigen Gründen aufrecht erhalten werden, wenn Recht ordentlich gebeugt sein will.

Das Gesetz als solches, ursprünglich als Meilenstein betrachtet, trifft im Alltag und bloß am Rande auf überforderte Polizisten, die seither zwischen illegalem Cannabis zu Genusszwecken, legalem Cannabis zu medizinischen Zwecken und mal legalen – mal nicht legalen CBD- Produkten unterscheiden sollen.

Das Gesetz trifft auf Ärzte, die insgesamt wenig Interesse am medizinischen Potenzial von Cannabis zeigen, die den schlecht bezahlten bürokratischen Arbeitsaufwand für das Verfassen ausführlicher medizinischer Begründungen im Rahmen von Kostenerstattungsanträgen bei den Krankenkassen scheuen und nicht selten auch nur schlichten Schiss vor Regress haben.
Der überwiegende Teil aller wegen Cannabis – Therapien angefragten Ärzte verhält sich bei entsprechender Patienten-Nachfrage ablehnend, ist oftmals wenig sachkundig, ängstlich, überfordert und zum Teil indoktriniert von Landesärztekammern und Horden polemisierender Befürworter von „pharmakastrierten“ Cannabisprodukten.

Es – das Gesetz – trifft auf Krankenkassen, die nach wie vor hohe Kostenerstattungs – Ablehnungsquoten fabrizieren, dabei rapide steigende Ausgaben für Cannabis-Medizin bejammern (offenbar nichtsahnend, dass diese künftig sich noch vervielfachen werden), und die mitunter in geradezu hochherrschaftlicher Weise noch die Therapiedauer für Patienten befristen. Oder den MDK einschalten in der Hoffnung, der Medizinische Dienst könne der Kasse möglicherweise die Ausgaben für Cannabis sparen, die an anderer Stelle für Homöopathie-strotzende Zuckerkügelchen mit fragwürdiger Wirkung erstattet werden.

Darüber hinaus trifft das Cannabis als Medizin-Gesetz in deutschen Hochschulen offenbar noch auf weitgehend taube Ohren. Bislang hat Cannabis es nicht geschafft Teil der ärztlichen Ausbildung zu werden.
Wissenschaftlich geforscht wird mit und zu Cannabis hierzulande in verschwindend geringen Maße. Folge einer seit vielen Jahren anhalten Forschungs-Lähmung aufgrund nachvollziehbarer Ängste und Wust an behördlichen Vorschriften bis zur Projekt-Bewusstlosigkeit. Ansonsten nur dicke Burgmauern aus Ignoranz und Inkompetenz politisch Verantwortlicher.

Das Gesetz trifft auch auf Apotheker, die – so sie sich ein wenig mit der Materie befassen und ihre Möglichkeiten ausreizen – zwar einen soliden Reibach machen (können), aber auch teilweise sehr gefrustet sind wegen der insgesamt bemitleidenswerten Patienten-Versorgungssituation . Von rund 40 gelisteten Cannabis-Sorten sind durchschnittlich nur 10 verfügbar. Dabei lautet die offizielle BMG/BfArM – Haltung nach wie vor „Keine Lieferausfälle!“

Letztendlich trifft das Gesetz – und dies mit voller Wucht – auf Patienten, die in ländlichen Regionen keinen Cannabis verschreibenden Arzt finden oder einem Arzt gegenüber nicht hinreichend argumentativ gewappnet sind, um neben gesundheitlichen – auch weitere  positive Effekte durch Cannabis verständlich darzulegen: Kostensparende Auswirkungen durch Reduzierung anderer Medikamente. Wiedererlangung von Arbeitsfähigkeit. Erneute Teilhabe am sozialen Leben und Steigerung von Lebensqualität.
Das Gesetz trifft Patienten auch dann mit absoluter Wucht, wenn ärztliche Verordnung und Kostenerstattung vorliegen, aber das verordnete Kraut unvermittelt wochen- oder monatelang nicht lieferbar ist.

Inzwischen scheißt der Goldesel, von dem ganz oben die Rede ist, auf dem kurzen Weg vom Hersteller, über den Großhändler zum Apotheker eine etwa Vervier- bis Verfünffachung des Cannabispreises zwischen ursprünglichem Hersteller-Abgabepreis und letztendlichem Apotheken-Endpreis.
Niemanden – ausgenommen Selbstzahler – scheint dabei ernsthaft zu stören, dass mit der wegen mangelhafter Planung und zu niedrigen Bestellmengen zustande gekommenen künstlichen Verknappung des Cannabisblüten-Angebots eine veritable Kostenexplosion einhergeht, die von der gesamten Versichertengemeinschaft achselzuckend getragen wird, während annähernd gleichwertiges Fensterbank- oder Indoor Grow-Cannabis zu vergleichsweise lächerlichen Cent – Beträgen aufgezogen werden kann und dabei durchaus gleichwertige gesundheitliche Effekte zeigt wie Apotheken-Cannabis.
(Siehe dazu Präzedenzfälle Fischer, Ackermann)

Aus gesundheitspolitischer und finanzieller Sicht ist der Eigenanbau von Cannabis also sehr wohl zielführend.
Aus ordnungspolitischer Sicht kann gesagt werden, dass  BfArM oder Cannabis-Agentur mit einer entsprechenden Aufstockung der Personaldecke ihrer Betäubungsmittel-Kontrollfunktionsaufgabe bei Eigen-Anbauern durchaus gerecht werden könnte, entschlösse man sich nur dazu, auch Überschüsse von privaten Eigenanbauern aufzukaufen und damit die künftigen Lieferausfälle abzumildern, die uns in den kommenden Jahren trotz Cannabis aus deutscher Produktion noch ins Haus stehen.

Zum Wohle des Goldesels…

*https://www.tagesschau.de/inland/cannabis-rezept-103.html

 

 

– aXXL Junker, 08/19 –

 

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