Das Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel (engl. Single Convention on Narcotic Drugs, franz. Convention unique sur les stupéfiants) von 1961 ist ein internationales Vertragswerk mit dem Ziel, die Verfügbarkeit einiger Drogen einzuschränken. Das Einheitsabkommen bindet als völkerrechtlicher Vertrag alle Mitglieder aufgrund internationalen Rechts. Das Einheitsabkommen betont aber auch wiederholt die medizinische Bedeutung eines Teils der betroffenen Drogen. Bereits die Präambel stellt fest, dass „die ärztliche Verwendung von Betäubungsmitteln zur Schmerzlinderung weiterhin unerlässlich bleibt, und dass die als notwendig erachteten Maßnahmen getroffen werden müssen, damit Betäubungsmittel für diesen Zweck zur Verfügung stehen“. Die Artikel 1, 2, 4, 9, 12 und 49 behandeln unter anderem die wissenschaftlich-medizinische Verwendung der jeweiligen Substanzen. Den Unterzeichnerstaaten wird das Recht zugesprochen, kontrollierte Substanzen aufgrund nachweispflichtiger Verschreibungen abzugeben. Was für das Betäubungsmittel Heroin – Handelname „Diamorphin“ – zur Behandlung schwerst Opiatabhängiger in einigen Ländern – seit 2009 auch in Deutschland – bereits Rechtsgültigkeit hat, muss in Bezug auf Cannabis als Medizin gegen den anhaltenden politischen Widerstand der Regierungsparteien aber erst noch erkämpft werden. Zum Großteil von vergleichbar schwer erkrankten Betroffenen selbst, die im Verlaufe zeitaufwändiger Rechtsklagen durch mehrere Instanzen progrediente – also zunehmend sich verschlechternde – Krankheitsverläufe in Kauf nehmen müssen und leidgeprüft erkennen, dass das „Recht“ auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und freie Therapiewahl angesichts der längst überkommenen Verpflichtung zur Einhaltung eines internationalen Schutzabkommens schlicht hohle Phrasen sind.
Medizinisches Asyl zur straffreien Behandlung von Leberzirrhose?
Augsburg, 31.01.2010 – Zwei Jahre Haft ohne Bewährung für einen 51-jährigen, schwer leberkranken Mann, der insgesamt zwölf Marihuana-Pflanzen angebaut hatte, welche ihm nach eigenen Angaben als Medizin dienen sollten. Aufgrund seiner bereits 24 Vorstrafen – die zumeist mit BtM-Verstößen korrelierten – riet Richterin Gabriele Holzer dem „unbelehrbaren und strafunempfindlichen“ Mann, nach der Entlassung aus dem Gefängnis in die Niederlande zu ziehen. Die Verteidigung will in Berufung gehen.
700.000 Unterstützer für Regulierung, Kontrolle und Besteuerung von Cannabis in Kalifornien
https://www.nytimes.com/2010/01/29/us/29brfs-BALLOTISSUEG_BRF.html?partner=rssnyt&emc=rss
New York, 28.01.2010, Deutlich mehr als die 434.000 mindestens erforderlichen Unterschriften wurden im Sonnenschein-Staat von Legalisierungsbefürwortern gesammelt. Angestrebt wird die Erlaubnis des Besitzes kleiner Mengen Marihuana für Erwachsene bzw. die Genehmigung eines Anbaus begrenzter Mengen im privaten Umfeld. (Artikel in Englisch)
Gesundheitsrisiko Schwarzmarkt-Gras
https://hanfverband.de/aktuell/meldung_1263333611.html
Berlin, 12.01.2010, Hanfverband. Marihuana wird in Deutschland nach wie vor massiv gestreckt. Der Deutsche Hanfverband (DHV) schlägt Alarm: In einigen Regionen gibt es kaum noch schadstofffreies Marihuana. Millionen Deutsche rauchen unwissentlich Kunststoff, Zucker und Schlimmeres. Der Hanfverband prognostiziert aufgrund dessen einen mittelfristigen Anstieg von Lungenerkrankungen. Abgesehen von einem Hinweis auf der Homepage der Bundesdrogenbeauftragten (seit September 07) hat die Politik bis heute kaum auf dieses Problem reagiert.
Heroin als Medizin
https://www.rp-online.de/panorama/deutschland/Ja-zu-kontrollierter-Heroinabgabe_aid_814243.html
Frankfurt/M, 01.02.2010 Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans (FDP), besucht eine Substitutionsambulanz und stellt den Bedarf für eine weiter gehende Versorgung für Schwerstkranke fest. Die heroingestützte Behandlung sei „ein wichtiges Modul im Hilfesystem“.
Patienten-Versorgungsservice in Kalifornien
https://www.time.com/time/video/player/0,32068,28761858001_1909195,00.html
TIME Magazine-Video über die rechtlich unabgesicherte Situation von Verteilerinstitutionen zur Versorgung von Patienten mit Cannabis in Kalifornien (Englisch-sprachiger Beitrag).
Kuriose Nebenwirkungen von ärztlich verschriebenem Marihuana
https://simpsons.to/episode/825-Staffel-13-Episode-16—Homer-einmal-ganz-woanders
Springfield, 01.04. 2010, Die Linderung von zu hohem Augen-Innendruck (Glaukom, Grüner Star) durch Cannabis ist bereits seit langer Zeit bekannt und anerkannt. Robert Randall, dem bereits 1976 in den Vereinigten Staaten erlaubt worden war, Marihuana aus staatlichem Anbau zur Therapie seines Leidens zu nutzen, war der erste Patient der Neuzeit mit einer medizinischen (Ausnahme-)Genehmigung. Inzwischen dürfen Prominente Marihuana aus staatlichem Anbau zur Therapie selbst einfachster Augenverletzungen beziehen. https://november.org/razorwire/rzold/25/page35.html
Kommentar zur Lage der Can(not?)Nation
Im völligen Kontrast zu millionenfach anders lautenden Erfahrungsberichten wird in unseren deutschen Landen wiederholter Cannabisgebrauch als Krankheit im Sinne einer Sucht- oder Abhängigkeitsentwicklung definiert. Eine Fülle flankierender Hilfsmaßnahmen – wie etwa sozialtherapeutische Begleitung im Rahmen von Drogenberatungsgesprächen, Entwöhnung und Entgiftung sowie vorbereitenden Maßnahmen auf ein Leben ohne Drogen sollen darüber hinwegtäuschen, dass das medizinische Potenzial dieser Droge auch als durchaus hilfreiche Linderung weit reichende Akzeptanz findet. Als selbst von einer solchen „Abhängigkeitserkrankung“ Betroffener fragt man sich jedoch spontan, warum ausgerechnet das Strafgesetz und etwaiger Freiheitsentzug die geeigneten Mittel zur Krankheitsbekämpfung und –bewältigung sein sollen.
Die physischen Auswirkungen einer akuten Leberzirrhose mit Cannabis zu behandeln macht aus medizinischer Sicht durchaus Sinn (Entzündungsreduktion, Schmerzbekämpfung, Appetitsteigerung). Darum muss der o.g. Augsburger Richtervorstoß, einen schwer Lebererkrankten für die Dauer von zwei Jahren ins Gefängnis zu schicken, als komplett sinnfreies Experiment am lebenden Objekt gewertet werden. Es ist schlicht inhuman und diskriminierend, ihn dort einer medizinischen Mangelversorgung auszusetzen (eine gesundheitliche Verschlechterung billigend in Kauf nehmend) und ihm darüber hinaus anzuraten, nach Verbüßung der Freiheitsstrafe) in die Niederlande auszuwandern. An dieser Stelle darf von Seiten des Patientennetzwerkes auf das weiterhin ungeklärte Schicksal unseres ehemaligen Mitstreiters Volker Krug verwiesen werden, mit dem von der bayerischen Justiz ähnlich gesundheitsbedrohlich verfahren worden ist. Ihm bot das “freiwillige“ Zwangsasyl vermutlich höhere Überlebenschancen als die widersinnigen Abstrafmechanismen der krachledernen Gerichtsbarkeit. Bestenfalls ist deshalb wohl von einer derartigen Rechtsprechung zu erwarten, dass bayerische Cannabis-Patienten künftig auf die Möglichkeit des Auswanderns nach Tschechien hingewiesen werden – aufgrund der räumlichen Nähe, versteht sich. Optimalerweise besser vor als nach der Strafverbüßung.
Als durchaus erfreulich ist zu bewerten, dass die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans, FDP, die Vergabe von Heroin (Diamorphin) als „wichtiges Modul im Hilfesystem“ betrachtet. Heroin erzeugt beim Patienten zwar (erwünschte) Rauschwirkungen, selbige scheinen einer sozialen Stabilisierung des Erkrankten allerdings nicht entgegenzustehen. Heroin wird (wie auch die synthetischen Substitute Methadon oder Polamidon) mittlerweile als „verkehrsfähig“ eingestuft und kommt täglich tausendfach zum medizinischen Einsatz. Die Vermutung liegt nahe, dass hier pharmazeutische Profitinteressen eine nicht unwesentliche Rolle spielen.
Aus selbigem Grund wird Cannabis eine solche Umstufung zur Verkehrsfähigkeit vorerst vermutlich nicht erfahren. Zumindest nicht, bevor das („unerwünscht“) Berauschende der Substanz pharmakologisch fortgezüchtet worden ist und somit ein pharmazeutisches Patent entsprechende Lukrativität generiert… Die offenkundige Meinung der Drogenbeauftragten, nach welcher die Cannabis-Rauschwirkung beim Patienten „unerwünscht“ sei, dürfte somit aus einschlägigen Kreisen impliziert worden sein, was nach den offenkundigen Sympathiegesten an der deutschen Heiligste Kuh, die Pharmalobby, innerhalb der ersten 100 Tage Schwarz-Gelb auch nicht weiter Wunder nehmen sollte…!
Dem ganz normalen, “auffälligen“ Patienten hierzulande („krank“ bedingt durch Cannabis-Abhängigkeit – oder aber durch das vielseitige Kraut lediglich Linderung pathologischer Symptomatiken erhoffend ) sollte vielleicht angesichts der wiedererweckten, inhumanen Hürden anheim gelegt werden, tatsächlich ins „medizinische Asyl“ auszuwandern. (Gesetzt den Fall, dass er sich`s nach erfahrener Deutschland-Tortur finanziell noch irgendwie leisten kann…- doch dies wird leider ein wichtiger Knackpunkt für die Zukunft bleiben.) Ob Kalifornien hierbei direkt den europäischen Alternativen (Niederlande, Tschechien, Portugal, Spanien ) vorgezogen werden sollte, dürfte noch stark von der nächsten Gouverneurswahl und auch der gesetzlichen US-Asyl- bzw. Einbürgerungsproblematik abhängen.
Zumindest erlaubt die Worldwideweb-Vernetzung zu erfahren, wie guter Service am Kranken in der Realität aussehen KANN. Was angesichts unserer neuen Regierungsstrukturen und deren Wirrungen im Gesundheitswesen allerdings schon beinahe medizynisch anmutet…!
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