Opfer der Prohibition – Carsten H.

Immer wenn es kalt wird, muss ich an Carsten denken, einen guten Freund aus alten Zeiten. Und daran, dass er ohne Prohibition und Repression heute noch leben könnte. Wie so viele andere. In einer Kleinstadt lebend, war er, weil er schwul war, ohnehin vielen ein Dorn im Auge. Homophobie eben. Dumme Witze. Auch, wenn er deswegen von Behörden in Ruhe gelassen wurde – als so genannter Abhängiger illegaler Drogen hatte er keine Ruhe.

Es war schön bei Carsten. Er hatte ein Faible für Antiquitäten. Der Großteil seiner späteren Wohnung bestand aus alten Möbeln. Kaiserzeit bis Weimarer Republik. Alte Postkarten an den Wänden. Küchenofen.

Man konnte etwas mit ihm erleben, er unternahm gerne etwas.

Nachdem er erfolgreich Heroin entzogen hatte, brauchte er zumindest Cannabis. Gegen das Craving. Und gegen seine Schmerzen. Heutzutage wäre wohl zumindest von vielen Ärzten anerkannt worden, dass er als Cannabispatient Marihuana aus medizinischen Gründen nimmt. Auch wenn ihm der MDK natürlich, drogensüchtig eben, seinen Kostenübernahmeantrag abgelehnt hätte.

Als er dann von der Polizei kontrolliert wurde, was eine Hausdurchsuchung anschloss, verlor er nicht nur seinen Führerschein. “0,6g Haschisch-Tabak-Gemisch” wurden damals laut Polizeiprotokoll in sener Wohnung gefunden. Ausreichend, um ihm das Leben zur Hölle zu machen, wie wir wissen.

Neben dem daran mittragenden Führerscheinverlust kam der ohnehin durch die Hausdurchsuchung ausgelöste soziale Tod. Kleinstadt eben. Seinen Job bei der Kirche, dem ihm ein im besten Sinne sehr guter Mensch und Pfarrer verschafft hatte, den Carsten auf Antiquitätenmärkten kennenlernte, die eine große Passion von beiden waren, verlor er. Und auch der Pfarrer, der in dieser und allen Kirchen ohnehin fehl am Platz war und sowieso mit allen auf Kreuz lag, wurde einige Zeit später versetzt. Wer Umgang mit Drogensüchtigen und “Randgruppen” pflegt, gehörte dort nicht hin.

Carsten legte sich an einem kalten, regnerischen und dunklem Vorabend auf die Gleise.

Mit Hilfsangeboten statt Bestrafung, mit der Behandlung mit einer Medizin, die hilft, ohne traumatisierende Hausdurchsuchungen durch schnauzbärtige und aggressive Polizisten, ohne gesellschaftlichen Ausschluss, er könnte heute bestimmt noch leben.

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