Lorenz Böllinger – Der Kampf um Cannabis als Medizin

Wir danken uns bei Prof. Böllinger für die Erlaubnis, seinen Artikel zu veröffentlichen.

Lorenz Böllinger

Der Kampf um Cannabis als Medizin
The Fight for Cannabis as Medical Treatment

Anknüpfend an ein Fallbeispiel wird der gesellschaftliche und rechtliche Streit um die medizinische Verwendung der illegalen Droge Cannabis beschrieben. Schwer kranke Patienten mit einer THC-Behandlungsindikation werden in ein Chaos von widersprüchlichen straf-verwaltungs- und sozial¬rechtlichen „Lösungen" verstrickt. Die zuständige Bundesbehörde, das Bundesinstitut ftir Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) blockiert derzeit die Ausführung höchstrichterlicher Vorgaben für die nach § 3 Betäubungsmittelgesetz (BzMG) mögliche Genehmigung solcher Behandlungen in Ausnahmefällen.
Schlüsselwörter: Betäubungsmittelrecht, Cannabis als Medizin, Drogenpolitik, Medizinrecht, Sozialrecht

Based an an exemplary case, the socio-legal conflict around prescription of the illicit substance Cannabis is described. Patients being medically eligible for correct treatment with the active ingredient THC are entangled irr a chaos of criminal, administrative and social law. The German Federal Office in charge, the Authorie for Medication and Medicinal Products (Bundesamt ftir Arzneimittel und Medizinprodukte), actively resists impfe¬mentation ofjudicial decisions exceptionally granting such treatment.
Keywords: drug policy, laws of narcotics, medicinal cannabis, medicinal products, social insurance financing

"Jeder hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit" lautet Art. 2 Abs.2 Satz 1 unseres Grundgesetzes (GG). Und das oberste ärztliche Prinzip „nihil nocere" – niemand darf durch die Behandlung an seiner Gesundheit geschädigt werden – gilt unbedingt auch für staatliche Grundrechtseingriffe. Im Übrigen gilt für die Exekutive und ihre Behörden das Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 20 Abs.3 GG. Diese basalen Prinzipien des demokratischen Rechtsstaats scheinen infrage gestellt, wenn es um die Behandlung von Krankheiten oder auch nur um die Linderung von Schmerzen mittels des Cannabis
 
Wirkstoffes Tetrahydrocannabinol (chemisch: Delta 9-THC) geht. Was ist geschehen?
Zur Veranschaulichung der Fall Ute K. (52 J.): 1986 wird ein Unterleib-Carzinom festgestellt, dessen Bestrahlung schwere Verletzungen innerer Organe hervorruft. Bei einer Operation kommt es zudem zu einer Leberschädigung durch eine mit Hepatitis B verseuchte Blutkonserve, so dass sie kein herkömmliches Schmerzmedikament mehr verträgt. Sie leidet seither permanent an unerträglichen Schmerzen und wird von einer Spezialklinik in die nächste überwiesen. Keine der üblichen, schulmedizinisch anerkannten Schmerztherapien hilft. Sie war letztlich schlaflos, apathisch, suizidal. Im Jahre 2000 findet ein Arzt das geeignete Medikament für sie: Dronabinot der aus der Cannabispflanze gewonnene Wirkstoff THC, lässt sie schon nach zwei Wochen schmerzfrei werden. Das Mittel hilft nicht allen, aber vielen Schmerzpatienten, hat keine Nebenwirkungen und macht nur extrem selten psychisch abhängig.
Eineinhalb Jahre lang zahlt die gesetzliche Krankenkasse (GKV) für das Medikament monatlich etwa 1.200,- € dann wird die weitere Kostenübernahme mit der Begründung verweigert, nicht alle herkömmlichen Therapiemöglichkeiten seien ausgeschöpft und für Dronabinol lägen weder eine arzneimittelrechtliche Zulassung noch eine positive Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss vor. Frau K. wird auf Psychotherapie verwiesen. Trotz fachärztlicher Gutachten und Stellungnahmen, welche die Indikation und Wirtschaftlichkeit von Dronabinol belegen, lehnen die GKV und in der Folge das Sozialgericht die Kostenerstattung weiterhin ab, obwohl sich nach informierten Schätzungen jährlich etwa fünftausend Schmerzpatienten das Leben nehmen, weil sie ihr Leiden physisch und psychisch nicht mehr ertragen. Inzwischen hat sich aber herumgesprochen, dass Tausende Schmerzpatienten erfolgreich, aber illegal, Cannabis konsumieren. Frau K. beschließt nun trotz des Strafbarkeitsrisikos, die Pflanzen selbst anzubauen. Auf ihre Selbstanzeige bekommt sie zunächst einen Strafbefehl über 537,- € bzw. nach Zahlungsverweigerung eine gerichtlich zur Bewährung ausgesetzte Mindestgeldstrafe von 200,- €. Es stellt sich heraus, dass private und einige gesetzliche Krankenversicherungen die Dronabinol-Medikation in „begründeten Einzelfällen" längerfristig finanzieren.
Mittlerweile hat das Bundesverfassungsgericht am 06.12.2005 (Az. 1 BvR 347/98) geurteilt, dass die GKV im Einzelfall unter folgenden Voraussetzungen auch die Kosten für arzneimittelrechtlich nicht zugelassene Medikamente erstatten müssen:
– Der Patient muss an einer lebensbedrohlichen oder zum Tode führenden Erkrankung Ieiden.
 
–    Die herkömmlichen anerkannten medizinischen Behandlungsmethoden müssen ausgeschöpft sein. Das heißt: Der Patient muss nachweislich austherapiert sein.
–    Die Behandlung muss einen nicht ganz entfernt liegenden Heilungserfolg oder eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf haben.
Die Entscheidung beruht auf einer Abwägung widersprüchlicher Rechtsauffassungen: Einerseits verbietet das Sozialgesetzbuch V (SGB V) den gesetzlichen Krankenkassen die Kostenerstattung für arzneimittelrechtlich nicht zugelassene Medikamente bzw. nicht anerkannte Therapien und Heilmethoden. Andererseits haben die Patienten einen grundgesetzlich garantierten Anspruch auf körperliche Unversehrtheit. „Übernimmt der Staat mit dem System der gesetzlichen Krankenversicherung Verantwortung für Leben und körperliche Unversehrtheit der Versicherten, so gehört die Vorsorge in Fällen einer Lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung unter den genannten Voraussetzungen zum Kernbereich der Leistungspflicht und der von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geforderten Mindestversorgung." Das Urteil hebt die widersprüchliche Rechtslage zwar nicht auf, stellt aber klar, dass Patienten unter formulierten Voraussetzungen einen über die gesetzlichen Bestimmungen des SGB V hinausgehenden Anspruch auf Kostenerstattung durch die GKV haben.
Dem hat sich mit Urteil vorn 04.04.2006 (Az. B 1 KR 7/05 R) nun auch das Bundessozialgericht angeschlossen. Für die Sozialgerichte bedeutet das: Sie können nicht mehr jede Klage auf Kostenerstattung für arzneimittelrechtlich nicht zugelassene Medikamente und Behandlungen mit dem Hinweis auf das SGB V ablehnen, sondern müssen prüfen, ob der Patient die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Voraussetzungen erfüllt.
Seither nimmt zwar die Bereitschaft der GKV zu, solche Behandlungen zu finanzieren. Auch tendieren die unteren Sozialgerichte deutlich eher zur Bejahung entsprechender „Grenzfälle". Das Problem für sehr viele Patienten, die unter schweren Schmerzzuständen oder einer Reihe anderer Krankheiten leiden, ist damit jedoch nicht erledigt. In den meisten Fällen lehnen die GKV die Kostenerstattung für die Behandlung mit Dronabinol oder ähnlichen Präparaten nämlich weiterhin ab. Gegen diesen Bescheid muss fristgerecht schriftlicher Widerspruch eingelegt werden. Diesem müssen ärztliche Gutachten und Stellungnahmen beigefügt werden, die das Vorliegen der erwähnten Richtlinien des Bundesverfassungsgerichts bestätigen. Erst nach erneuter Ablehnung kann das Sozialgericht eingeschaltet werden, und zwar zunächst mit Antrag auf einstweilige Anordnung und anschließender Klage. Der Antrag auf einstweilige Anordnung kann zwar eine richterliche Vorabentscheidung hinsichtlich der Kostenübernahme erbringen. Voraussetzung ist aber, dass der ablehnende Bescheid der GKV offensichtlich rechtswidrig ist, z.B. wenn der Patient auf eine therapeutische Alternative verwiesen wird, von der man schon weiß, dass sie ihm nicht hilft.
Zweitens muss dem Patienten nicht zuzumuten sein, den Ausgang des Verfahrens abzuwarten, weil beispielsweise irreversible Schäden drohen. Meist prüfen die Richter bereits im Vorverfahren anhand der medizinischen Gutachten sehr genau, ob der Patient einen Anspruch auf das Medikament hat, müssen sie doch davon ausgehen, dass die GKV die vorab erstatteten Kosten für das Medikament vom Patienten zurückverlangen können. Allerdings ist solch ein Fall bisher nicht bekannt geworden, denn eine solche Rückforderung könnte für schwerstkranke Patienten den nicht nur finanziellen Ruin bedeuten. Im Übrigen kann schon das erstinstanzliche sozialgerichtliche Klageverfahren wegen der Überlastung der Sozialgerichte sehr lange dauern und sollte jedenfalls unter anwaltlicher Vertretung erfolgen.
Angesichts dessen werden die Kranken weiterhin in unzumutbarer, Grundrechte verletzender Weise ins Dickicht von Betäubungsmittelstrafrecht, Sozialrecht, Arzneimittelrecht und Verwaltungsrecht verstrickt. Dabei tut sich insbesondere das Bundesinstitut fair Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in geradezu kafkaesker Weise hervor.
Sozialrechtlich verläuft die Frontlinie weiterhin bei der Definition und Subsumtion der besonderen Voraussetzungen im Einzelfall. Das Zusammenspiel von restriktiver Begriffsauslegung, Bestreiten des Sachverhalts und Verweis auf den beschwerlichen Rechtsweg resultiert in faktischer Willkür: Schmerzpatienten und andere Leidende können nicht jahrelang auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts warten. Sie können die extrem hohen Kosten für Dronabinol nicht selbst aufbringen und möchten deshalb auf den natürlichen, in der illegalen Droge Cannabis enthaltenen Wirkstoff Delta-9- THC zurückgreifen.
Also werden die Patienten regelrecht in die strafrechtliche Arena von Schwarzmarkt und Strafverfolgung getrieben: Erwerben, Besitzen, Anbauen von Cannabis zum Eigengebrauch. Die allzu restriktive Entpönalisieningsvorgabe des Bundesverfassungsgerichts von 1994 (1) greift hier nicht: Die Patienten sind keine „Gelegenheitskonsumenten", sondern benötigen das Medikament über längere oder unabsehbare Zeiträume kontinuierlich; sie konsumieren unter Umständen auch in der Öffentlichkeit oder unter Beobachtung von Minderjährigen, also kann wegen der Gefahr der Ansteckungswirkung das „öffentliche Interesse" nicht ausgeschlossen werden; und schließlich besitzen sie in der Regel nicht nur kleine Mengen, sondern halten sich vorsorglich mehr oder minder große Mengen als Vorrat, um angesichts der Unkalkulierbarkeit des Schwarzmarktes die Kontinuität der Medikation gewährleisten zu können. Auf Tatbestandsebene sind sie damit häufig im Bereich der „nicht geringen Menge", theoretisch also gemäß § 29a Abs. 1 Nr.2 BtMG wegen der vom Gesetzgeber im Sinne der „abstrakten Gefährdungsdelikte" gemutmaßten besonderen „Fremdgefährdung" im Verbre¬chensstrafrahmen von 1 bis 15 Jahren.
Folgerichtig bleibt lediglich der Ausweg einer Rechtfertigung dieser tatbestandlichen „schwer wiegenden Straftat" nach der Notstandsvorschrift des § 34 StGB. Immerhin hat das OLG Karlsruhe bereits im Jahre 2004 (2) letztinstanzlich mutig entschieden, dass dieser Weg gangbar ist – wiederum unter recht restriktiven Voraussetzungen: Neben dem gemäß § 34 StGB erforderlichen Vorliegen einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahrenlage für ein anerkanntes Rechtsgut, wie etwa Leib und Leben, muss sich das zur Gefahrenabwehr eingesetzte Mittel – hier: die Einnahme von Cannabis – überhaupt zur Gefahrenabwehr eignen und es darf kein milderes Mittel zur Verfügung stehen. Für die Annahme einer solchen Eignung sei zwar nicht erforderlich, dass dieses Mittel die Gefahrenlage sicher oder mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließe, vielmehr reiche es aus, dass die erfolgreiche Abwendung des Schadens „nicht ganz unwahrscheinlich" sei. Dies müsse im Einzelfall krankheitsspezifisch nachgewiesen werden. Auch erfordere eine Rechtfertigung aus Notstandsgesichtspunkten, dass bei Abwägung der widerstreitenden Interessen das geschützte Interesse (Leib und Leben des Angeklagten) das beeinträchtigte (Gesundheit der Bevölkerung) wesentlich überwiege. Dazu müssen das Vorliegen und das Ausmaß der Beeinträchtigungen in den einzelnen Funktionsbereichen beim Angeklagten konkret dargelegt werden.
In strafrechtlicher Hinsicht besteht also angesichts der Auslegungsspielräume der Rechtsbegriffe und Sachverhalte für Patienten mit medizinischer Cannabis-indikation keinerlei Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit: Sie laufen permanent Gefahr, strafrechtlich in nicht unerheblichem Maße verurteilt zu werden und hängen mehr oder weniger von der Gnade von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten ab.
Alle Versuche, dieser misslichen Situation durch Geltendmachung einer Grundrechtsverletzung zu entrinnen, sind bislang fehlgeschlagen – und hier wird es kafkaesk.
Mit Beschluss vom 20.01.2000 – Az. 2 BvR 2382-2389199 – hat nämlich die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts über die im Dezember vom Verfasser im Namen von acht Beschwerdeführern eingelegte erste derartige Verfassungsbeschwerde entschieden. Es ging um das Bemühen von u.a. an Multipler Sklerose, Hepatitis und anderen schweren Krankheiten leidenden Patienten, zur Linderung ihrer Leiden mit Cannabisprodukten behandelt werden zu dürfen, ohne strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt zu sein. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde zwar aus formalen Gründen nicht zur Entscheidung angenommen, weil der Rechtsweg nicht erschöpft sei. Es hat aber durch die Vorgabe einer bestimmten Rechtsauslegung einen Weg eröffnet, der nach bisheriger Auslegungspraxis der Verwaltung und der Gerichte verschlossen war. Bisher wurde eine nach § 3 BtMG mögliche Ausnahmeerlaubnis einer solchen Behandlung durch das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (Berlin) abgelehnt, weil Einzelbehandlung nicht „wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken" diene. Nunmehr stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass auch eine individuelle Behandlung im Rahmen der medizinischen Versorgung der Bevölkerung ein „öffentliches Interesse" begründe und damit die Erteilung einer Erlaubnis rechtfertigen könne. Auch für die Fälle von Selbstmedikation außerhalb ärztlicher Behandlung zeigt das Bundesverfassungsgericht einen Weg auf: Ein Antrag auf vorbeugenden Rechtsschutz gegen polizeiliche oder staatsanwaltliche Ermittlungen gemäß § 23 Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG) könne Patienten vor den Unannehmlichkeiten eines Ermittlungsverfahrens bewahren.
Seither hat das Bundesverfassungsgericht mehrere weitere Verfassungsbeschwerden aus denselben formalen Gründen abgewiesen bzw. wegen Unzulässigkeit nicht zur Entscheidung angenommen. In einem 2005 abgewiesenen Fall litt der Beschwerdeführer aufgrund eines Motorradunfalls, der zu einer Schwerbehinderung von 80 Prozent geführt hatte, an Schmerzen im linken Arm und Bein. Bei einer Einreise aus den Niederlanden führte er auf ärztliche Empfehlung Haschischöl und Marihuana mit sich, welche er zur Linderung seiner Schmerzen konsumieren wollte. In dem entsprechenden Beschluss der 3. Kammer des 2. Senats heißt es zur Begründung erneut: Soweit die Verfassungsbeschwerde mit der Notwendigkeit einer medizinischen Heilbehandlung begründet sei, sei der Rechtsweg nicht erschöpft: „Der Beschwerdeführer hätte zunächst versuchen müssen, auf der Grundlage des Betäubungsmittelgesetzes eine Ausnahmeerlaubnis zum straffreien Konsum für eine medizinisch notwendige Behandlung mit Cannabisprodukten zu erlangen „ (3)
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erschien trotz der Abweisung wegen Unzulässigkeit zunächst einmal als Durchbruch, weil die Verfassungsrichter damit grundsätzlich die Möglichkeit einer entsprechenden Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs.2 BtMG eröffneten. In Hunderten von Fällen stellten nun Schmerzpatienten und andere an diversen Krankheiten Leidende mit entsprechender ärztlicher Diagnose und Indikationsstellung beim zuständigen Bundesinstitut den Antrag auf Erteilung einer derartigen Ausnahmegenehmigung. Das BfArM lehnte diese jedoch sämtlich pauschal ab mit der Begründung, die erstrebte Behandlung verfolge keinen wissenschaftlichen oder sonst im öffentlichen Interesse liegenden Zweck. Am öffentlichen Interesse fehle es insbesondere, weil mit Dronabinol ja ein im Gegensatz zum natürlichen Cannabis den Erfordernissen von Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs genügendes Medi
 
kament erhältlich sei. Außerdem wird die Illegalität der Droge im Hinblick auf deutsches und internationales Drogenrecht angeführt.
Daraufhin klagte einer der Abgewiesenen im Jahre 2000 vor dein Verwal¬tungsgericht gegen den Bescheid des BfArM und auf Erlaubnis nach § 3 ts,6s Das NI exxii exlogsgefleht Maie , so dass das Bundesverwaltungsgericht als Sprungrevisionsinstanz zu entscheiden hatte. Mit Urteil vom 19.05.2005 (Az. 3 C 17.04) entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass die Ausnahmeerlaubnis nicht mit der Begründung abgelehnt werden dürfe, die Behandlung liege nicht im öffentlichen Interesse. Zwar gebe es keinen legitimen wissenschaftlichen Zweck, jedoch liege sie – und darin folgt das Bundesverwaltungsgericht wiederum der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – dem in § 5 Abs.1 Nr.6 BtMG angesprochenen Gesetzeszweck, die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. § 5 Abs.1 Nr.6 BtMG konkretisiert somit das subjektive Recht aus Art.2 Abs.2 Satz 1 GG und das in Art.1 GG zum Ausdruck gebrachte Menschenwürdeprinzip.(4) Der fehlende Wirksamkeitsnachweis sei kein Ablehnungsgrund, lediglich der Nachweis der mangelnden therapeutischen Wirksamkeit. Dies ergebe sich aus § 25 Abs.2 Nr.4 Arzneimittelgesetz (AMG), welcher „eine gänzlich andere Funktion" habe als das Einzelfallverfahren nach § 3 Abs.2 BtMG. Im Übrigen sehe auch das UN-Einheitsabkommen von 1961 in Art 21 Abs.la, Art.30 Abs.lc und Art. 32 vor, dass der therapeutische Einsatz von Suchtstoffen nicht verhindert werden solle.
Aufgrund dieser Entscheidung sah sich das BfArM nunmehr genötigt, die Anträge differenzierter zu bescheiden, also die Erlaubnisvoraussetzungen genau zu prüfen. Beispielhaft für das gesetzeswidrige Verhalten des BfArM ist der folgende Einzelfall des Herrn S. Auf seinen im November 2005 gestellten – vom BfArM übrigens schleppend und unter Überschreitung der Bescheidungsfrist gemäß § 8 Abs.! Satz 1 BtMG bzw. § 75 VwGO bearbeiteten
–    Antrag erhielt er am 05.07.2006 einen siebenseitigen Bescheid. Dieser enthält eine Liste von Voraussetzungen, die Herr S. bis 31.08.2006 erfüllen sollte, um die Erlaubnis zu erhalten. „Großzügig" wurde ihm wegen der Aufwändigkeit dieser Auflagen Fristverlängerung bis Ende Februar 2007 gewährt.
Die Liste orientiert sich zum einen an § 5 Abs.1 Nr./-5 und §§ 6-9 BtMG.
–    Benötigte Jahresmenge und „Beschreibung des Herstellungsganges" der Konsummmenge.
 
– Beschreibung der Aufbewahrungsräumlichkeiten gemäß den beigefügten „Richtlinien über Maßnahmen zur Sicherung von BtM-Vorräten", z.B. „Wertschutzschränke" oder „Wertschutzraumtüren mit einem Widerstandsgrad III oder höher nach EN 1143-1"; „KIinkermauerwerk in einer Stärke von 115 mm mit Baustahlgewebe verbunden, ggfs. mit Stahlbeton verstärkt“, „elektrische Überwachung und Alarmierung“
–    Namen und Anschrift des Cannabis Abgebenden, der nach AMG zum Inverkehrbringen von Cannabis berechtigt sein und eine betäubungsmittelrechtliche Erlaubnis zur Abgabe beantragen müsste; ggfs. eine entsprechende Importgenehmigung gemäß § 11 BtMG.
–    im Falle des Anbaus von Cannabis Angaben zur Anbausorte und Bezugsquelle, genaue Beschreibung der Anbaufläche und der Sicherungsmaßnahmen gegen Entwendung sowie Beschreibung des Ernte- und Trocknungsvorganges.
–    Nachweis der erforderlichen Sachkenntnis zum Umgang mit Betäubungsmitteln gemäß § 6 BtMG.
Zum anderen werden ein „aussagekräftiges Gutachten Ihres behandelnden Arztes" zu den oben genannten, vom Bundesverfassungsgerichts aufgestellten Kriterien und eine Bescheinigung der Krankenkasse über die Ablehnung der Kostenübernahme für Dronabinol verlangt.
informell teilte Herr S. mir noch Folgendes mit: Anlässlich einer telefonischen Nachfrage beim BfArM sei es zu einem denkwürdigen Gespräch und nachfolgendem E-Mailwechsel mit einem Dr. Schinkel gekommen. Dieser habe ihm mitgeteilt, dass es wohl – weder kurz- noch -mittelfristig jemals zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung kommen werde. Begründet wurde dies mit Erkenntnissen der WHO, welche Cannabis keinesfalls als „Therapeutikum" bestätigt sehe. Daneben habe Dr. Schinkel geltend gemacht, dass das BtMG geändert werden müsse, um diese Erlaubnis überhaupt erteilen zu können. Er könne es sich ersparen, Geld für Wohnungsumbauten auszugeben, da es selbst bei Erfüllung der Auflagen keine Genehmigung für Privatleute geben könne. Dr. Schinkel habe bestritten, dass das Regelwerk des § 5 BtMG eigentlich für Kommerzbetriebe bestimmt sei.
Dass die dem Antragsteller auferlegten Vorkehrungen absurd sind, weil sie von einem behandlungsbedürftigen Privatmann nicht eingehalten werden können, liegt auf der Hand. Damit steht jetzt schon fest, dass es zur Ablehnung kommen muss. Es handelt sich nämlich um allgemeine Voraussetzungen für die Erlaubnis zum Verkehr mit Betäubungsmitteln. Diese sind lediglich für die reguläre Erlaubniserteilung zum Umgang mit Betäubungsmitteln nach § 3 Abs.1 BtMG, keineswegs jedoch für die Erteilung einer Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Abs.2 BtMG geltend zu machen. Denn es handelt sich ja um eine gesetzlich vorgesehene Ausnahme von diesen Erfordernissen, ansonsten hätte es dieser Ausnahmeregelung für Einzelfälle logischerweise gar nicht bedurft.
 

Diese Leviten hat das Bundesverwaltungsgericht dem BfArM, belegt auch mit einschlägiger Kommentarliteratur, bereits gelesen. Aber offenbar hat man dies im BfArM nicht verstanden oder verstehen wollen, obwohl die Direktorin des BfArM und Leiterin der hierfür zuständigen Opium-Stelle Bearbeiterin eines Kommentars zum Betäubungsmittelrecht ist. Offenbar verführt die Macht einer Bundesbehörde, die Unbeeinflussbarkeit der höhe¬ren Bürokraten, auch in diesem Falle zu Größengefühlen und einer gewis¬sen Verselbständigung gegenüber gesellschaftlicher und juristisch-dogmatischer Realität. (5)
Die offenkundige Rotzigkeit, ja geradezu der Hohn und Zynismus, mit denen Mitarbeiter des BfArM hilfsbedürftige Antragsteller abfertigen, legt die Vermutung nahe, dass hier Drogenpolitik mit anderen Mitteln getrieben wird: Die Interpretation „Wir wollen das einfach nicht und werden es verhindern – egal wie!" wird ebenso nahe gelegt, wie diejenige einer gewissen Überheblichkeit und Verachtung gegenüber den Kranken, die vermutlich unterschwellig mit Junkies gleichgesetzt werden, welche das edle Bundes¬institut nur für ihre schmutzige Sucht missbrauchen wollen. Von der eigentlichen Verantwortung im Sinne Art. 2 Abs.2 GG keine Spur. Das fügt sich ein in den modischen neoliberalen Zeitgeist der Ausgrenzung von Unangepasssten und Dysfunktionalen sowie des Abschieds von substantieller Rehabilitation und sozialer Integration. Verwaltungsrechtlich gesehen han¬delt es sich jedenfalls um einen Fall von eklatantem Ermessensfehlgebrauch aus sachfremden Erwägungen, dem höchst wahrscheinlich vom Verwaltungsgericht Einhalt geboten werden wird.
Aber wie kann es weiter gehen? Selbst wenn das BfArM kraft Verwaltungsgerichtsentscheid seine Ignoranz aufgeben und einlenken sollte und entsprechend dem Verfassungsprinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs.3 GG) mittels Ausnahmeerlaubnis gemäß § 3 Abs.2 BtMG endlich pflichtgemäßen Ermessensgebrauch praktizieren würde, bliebe die Situation für die Schmerzpatienten und Kranken prekär. Denn in jedem Einzelfall muss spezifisch über die vorn Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht aufgestellten rechtlichen Voraussetzungen entschieden werden. Das bedingt jedes Mal ein aufwändiges Procedere, möglichst unter Kooperation von Anwalt, Gutachter und Gericht. Zwangsläufig folgen daraus voraussichtlich nicht wenige Fälle, die wiederum in jahrelangen Verfahren bis zum Bundesverwaltungsgericht oder gar Bundesverfassungsgericht getrieben werden müssen.
Zwar kann man auf eine gewisse Stabilisierung der Auslegungspraxis hinsichtlich dieser Kriterien hoffen, so dass sich der Ermessensspielraum des BfArM verringert. Auf „Null" wird er sich aber, so wie die Verwaltungspraxis aussieht, nicht reduzieren lassen.
Immerhin schrieb die Bundesminsterin für Gesundheit in ihrem „Sucht- und Drogenbericht 1999" hinsichtlich des Themas „Cannabis als Medizin" u.a.: „Das Bundesministerium für Gesundheit unterstützt alle Bemühungen, die darauf abzielen, die Möglichkeiten des Arzneimittelgesetzes praxisgerecht auszuschöpfen." Und verschiedentlich fanden auf Anfragen hin im Bundestag Diskussionen zu diesem Thema statt.(6)
Als klarste und qualitativ beste Lösung bietet sich an, Cannabis von der Anlage I zu § 1 Abs.1 BtMG –Nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel – in Anlage III – Verkehrs- und verschreibungsfähige Betäubungsmittel – oder zumindest in Anlage II –Verkehrsfähige Betäubungsmittel – umzustufen. Dann könnte die Pharmaindustrie sich daran machen, den Kriterien der Arzneimittelzulassung gemäß AMG genügende Zubereitungen und Standardisierungen zu entwickeln. Das würde wegen der dann möglichen offenen und klaren Möglichkeiten umfassender Information die Risiken des Missbrauchs insbesondere auch für Jugendliche erheblich mindern. Angesichts der nach wie vor sehr restriktiven Drogenpolitik und der von den Medien geschürten, tatsächlich aber unbegründeten hysterischen Angst vor hirnschädigenden Auswirkungen angeblich „hochgezüchteter" Cannabis-Sorten wird es dazu aber wohl auf absehbare Zeit nicht kommen. Vermutlich wird sich auch dagegen das gemäß AMG für die Sicherheitsprüfung von neuen Medikamenten zuständige BfArM stemmen.
Mehrere Versuche von Privatfirmen, zu erschwinglichen Preisen THC aus Drogenhanf herzustellen, wurden vom BfArM blockiert. Das mit Delta-9-THC identische Dronabinol kann deshalb nur aus Nutzhanf extrahiert oder vollsynthetisch hergestellt werden.(7) Wegen des äußerst geringen THC-Wirkstoffgehalts von Nutzhanf ist dieses Verfahren extrem teuer – daher das Sträuben der GKV gegen monatliche Kosten von ca. 250,- €, in Einzelfällen bis zu 1.200,- € (ca. 80 Cent pro 1 Milligramm). Bei Verwendung von normalerweise bis zu 10% THC enthaltendem illegalem Cannabis könnte die Herstellung wesentlich billiger sein.
Hoffen kann man darauf, dass sich die allmähliche Reduzierung des Ermessensspielraums des BfArM, welche durch ständige Verwaltungsrechtsprechung entstehen dürfte, in Richtung Legalisierung auswirkt. Rechtstheoretisch kann gut gezeigt werden, dass mehrere hoch relevante Reformen im Betäubungsrnittelrecht „von unten" initiiert wurden, also auf Aktivitäten beruhten, welche sich zuvor für längere Zeit in protolegalen Grauzonen bewegt hatten: z.B. Methadonbehandlung, Spritzenvergabe, Gesundheitsräume.
Ein Vorschlag in diese Richtung stammt von der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin und wurde von deren Juristischem Beirat unter Mitarbeit des renommierten BtMG-Kommentators Körner ausformuliert.(8) Durch Einfügung eines neuen § 31 b BtMG soll der Schutz vor Verfolgung bei Vorliegen einer medizinischen Empfehlung oder Verschreibung von Cannabis gesetzlich festgelegt werden. Voraussetzung dafür wäre, dass es sich bei der illegalen Substanz um überprüfbar gute Qualität handelt. Dazu müsste eine Liste von Indikationen erstellt werden, bei denen Ärzte eine ärztliche Empfehlung ausstellen dürfen. Es müsste weiter entsprechend der ärztlichen Empfehlung eine Höchstmenge festgelegt werden, mit der der Umgang geduldet ist. Vom Arzt wäre eine Kopie der ärztlichen Empfehlung zu erstellen, die beim Arzt verbleibt, und die ärztliche Empfehlung wäre jährlich zu erneuern. Dieses Konzept wird offenbar auch vorn Petitionsausschuss des Bundestages unterstützt.
Auch ohne die strengen Verfahrensvorschriften für die Zulassung von neuen Medikamenten wäre bereits nach aktuell geltendem Recht die Verschreibung von Delta-9-THC möglich. In der Medizin werden tagtäglich tausende Fertigarzneimittel verabreicht, die zwar vom Arzt verordnet werden dürfen, aber keine arzneimittelrechtliche Zulassung haben, so genannte „Off-Label-Lise"-Medikamente. In Frage kommen auch so genannte Rezepturarzneien, bei denen ein Pharmaunternehmen den Wirkstoff produziert und diesen mit der Rezeptur zur Herstellung der Arznei an eine Apotheke liefert. Diese stellt dann das Medikament her, zum Beispiel in Form von Tropfen, Kapseln oder Salben. Dronabinol ist solch eine Rezepturarznei (s.o. Fn 7).
Diese Arznei wird vor allem bei Patienten eingesetzt, die herkömmliche Opiate, wie zum Beispiel Morphium, nicht vertragen. Zu erinnern gilt im Übrigen: Bis Anfang des 20. Jahrhunderts war Cannabis eine ganz legale Medizin. Zwischen 1880 und 1900 enthielt die Hälfte aller Schmerzmittel in Europa Extrakte aus Hanf. In der traditionellen chinesischen und indischen Medizin fand Cannabis Verwendung bei nervösen Verstimmungen, bei Schlaflosigkeit, Erbrechen und Entzündungen. Erst nach dem zweiten Weltkrieg wurden Cannabis und cannabishaltige Arzneien in Deutschland verboten und erst seit 1998, nachdem die vielfältigen medizinischen Indikationen nicht mehr bestritten werden konnten (9) ist wenigstens der Wirkstoff Dronabinol wieder verschreibungsfähig. (10)

 
Unbestritten ist die bei medizinischem Gebrauch „unbeabsichtigte Nebenwirkung"; je nach Dosierung leichte psychoaktive Wirkungen und je nach Persönlichkeitsstruktur ggfs. auch Abhängigkeit. Beides ist noch nicht gut erforscht. Bei hedonistischem Gebrauch von Cannabis zeigt die Forschung, dass es bei ca. 5% der Gebraucher zu Missbrauch und Abhängigkeit kommt. Im Rahmen einer Therapie spielt jedoch das Abhängigkeitspotenzial von Cannabis ebenso wenig eine Rolle wie bei Morphium. Ob ein Wirkstoff abhängig macht, hängt eben nicht allein von der Chemie und Darreichungsform ab, sondern auch von den persönlichen und sozialen Kontextbedingungen.
Eine aus strafrechtlicher Sicht legale Alternative eröffnet die seit gut einem Jahr operierende Hanfapotheke.(11) Die Hanfapotheke leitet die Anfrage an einen Vertrauensarzt weiter. Dieser nimmt dann Kontakt mit dem Patienten auf und prüft anhand der ärztlichen Unterlagen und in einem Gespräch die Indikation bzw. Notwendigkeit der Behandlung. Gibt der Mediziner grünes Licht, teilt er dies der Hanfapotheke per E-Mail mit. Diese hat selbst jedoch keinen Hanf vorrätig, sondern tritt lediglich als Vermittlerin auf. Die Hanfapotheke teilt Hanfspendem, die anonym über das Internet mit ihr Kontakt aufgenommen haben, die Adresse des Patienten mit. Der Spender schickt das Marihuana oder Haschisch kostenlos und anonym dorthin. Nachteil für den Patienten: Er kennt die Qualität und Zusammensetzung seiner Medizin nicht. Um dem Zugriff der deutschen Strafverfolgungsbehörden zu entgehen, liegt der Server mit der Hanfapotheke allerdings in der Schweiz, welche die Verwendung von Cannabis zu medizinischem Zwecken zumindest toleriert. Im Falle der Strafverfolgung kann sich der Patient, wie oben beschrieben, auf die Rechtfertigung nach § 34 StGB berufen. Sollte auch der Spender ermittelt werden können, müsste aus strafrechtlich-wissenschaftlicher Sicht gleichfalls § 34 StGB als Rechtfertigung gelten. Dazu gibt es aber noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung.
Bei angemessener Diagnose, Indikationsstellung und Anwendungsempfehlung bzw. -beratung durch niedergelassene Ärzte bleibt entsprechenden Schmerzpatienten und Kranken die Möglichkeit, sich selbst auf dem Schwarzmarkt einzudecken und sich bei eventueller Strafverfolgung mit § 34 StGB zu verteidigen. Die gekennzeichnete strafrechtliche Unsicherheit bleibt dann aber. (12) Jedenfalls empfiehlt sich für Ärzte eine spezielle Fortbildung, wie sie von der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie angeboten wird. (13)
Zu überlegen wäre schließlich die rechtliche Möglichkeit der Gründung einer Art Anbau-Genossenschaft. Mehrere Schmerzpatienten und andere Kranke, für die eine ordnungsgemäße medizinische Indikation für eine Cannabis-Behandlung gestellt worden ist, könnten gemeinsam gemäß § 5 Abs.1 BtMG in „geeigneten Räumen" eine „Betriebsstätte" gründen und mit einem „sachkundigen und zuverlässigen Verantwortlichen" ausstatten. Eine solche „Erfüllung" der Anforderungen des § 5 Abs.1 BtMG wird, wie oben gezeigt, rechtsirriger Weise vom BfArM verlangt. Selbst wenn man dieser Sichtweise folgen würde, gälte das aber nur für verkehrsfähige Betäubungsmittel, so dass doch wieder eine Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Abs.2 BtMG erforderlich wäre, welche eben nur auf Einzelfallbasis erteilt werden kann. Dass die höchstrichterliche Verwaltungsrechtsprechung zu einer analogen Anwendung von § 5 Abs.1 BtMG auf illegale Substanzen kommen könnte, ist wohl auszuschließen.
Als Fazit ist festzuhalten: Die Situation bleibt für Schmerzpatienten und an diversen anderen Leiden Erkrankte, für die Cannabis ein probates Heil- und Linderungsmedikament darstellt, prekär. Sie auch weiterhin im Dickicht von Sozialrecht, Strafrecht und Verwaltungsrecht zappeln zu lassen, ist eine gröbliche Verletzung der Menschenwürde und des Grundrechts auf körperliche und seelische Gesundheit. Die Judikative hat dies höchstrichterlich erkannt, der Gesetzgeber verhält sich blind, und eine selbstherrliche Exekutive ignoriert es willkürlich.

(1)    Beschluss vom 09.03.2004, vgl_ BVerfGE 90, 145.
(2)    Urteil vom 24.06.2004, Az. 3 Ss 187/03.
(3)    Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 60/2005 vom 12.07.2005.
(4)    interessanterweise vertritt auch die BfArM-Direktorin und Leiterin der Bundesopiumstelle, Dr. Carola Lander, als Mitautorin des drogenpolitisch durchgängig höchst restriktiven Betäubungsmittelrechtskommentars Hügel u.a. (2005: § 3 BtMG Rn. 17) diese Meinung, obwohl sie für die strikte Ablehnungspolitik des BfArM zumindest mitverantwortlich sein dürfte.
(5)    Das wäre nicht der erste und mutmaßlich auch nicht der letzte Skandal in diesem Hause, wurde doch die Vorgänger-Institution, das Bundesgesundheitsamt (BGA) wegen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit den 1993 aufgetretenen HIV Infektionen durch Blut und Blutprodukte durch das am 01.07.1994 in Kraft getretene Gesundheitsreinrichtungen-Neuordnungs-Gesetz (GNG) aufgelöst und in drei Nachfolgeinstitutionen überführt.
(6)    BT-Drucksache 13/3282, 15/2331; vgl. auch Körner 2001: § 3 BtMG Rn. 58.
(7)    Derzeit gibt es in Deutschland zwei Unternehmen, welche Dronabinol herstellen und Apotheken damit beliefern: THC-Phann in Frankfurt a.M. und Delta 9 Pharma in 92138 Neumark.

(8)    Unveröffentlichtes Manuskript 2002.
(9)    Vgl. Grotenhermen 2004 mit umfassenden Forschungsnachweisen; EMCDDA 2002 m.w.N.; International Conference 2001.
(10)    Zur Information: Dronabinol-Herstellung vgl. <https://www.T1-1C-Pharm.de> [Stand 2006-11-09]; Interessenvertretung Ärzte und Patienten, AG Cannabis als Medizin: <http:llwww.cannabis-med.org> [Stand 2006-11-09]; Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie e.V.: <http;//www.dgschmerztherapie.de> [Stand 2006-11-09].
(11)    Betroffene können sie über die Internetseite <https://www.Hanfapotheke.org> [Stand 2006-11-09] kontaktieren.
(12)    Ausführlich zu den entsprechenden strafrechtsdogmatischen Fragen: Böllin¬ger/Burkhardt 1997.
(13)    <https://www.dgschmerztberapie.de> [Stand 2006-11-09].

Literatur
Böllinger, Lorenz / Burkhardt, Sven (1997): MDMA: Das Recht auf Qualitätsbestimmung und therapeutischen Gebrauch, in: Neumeyer, Jürgen / Schmidt,Semisch, Henning (Hg.): Ecstasy — Design für die Seele?, Freiburg, 217-245.
EMCDDA (2002): Medicinal Cannabis and Derivatives. A legal Analysis of the Options, Their Limitations, and Current Practice in the EU, ELDD Comparative Study, May 2002, in: European Legal Database on Drugs, <https://eldd.ernedda.euoropa.eu> [Stand 2006-11-09].    –
Grotenhermen, Franjo (2004): Hanf als Medizin, Aarau.
Lander, Carola (2005): Kommentierung von § 3 BtMG, in: Hügel, Herbert u.a.: Deutsches Betäubungsmittelrecht — Kommentar, 8. Aufl. 3. Ergänzungslieferung, Stuttgart.
international Conference (2001): International Conference on Medicinal Cannabis Policy which was heid in The Hague, the Netherlands, on 22 and 23 November 2001 on invitation of the Dutch Heaith Ministry, Results in: <https://www.cannabis-rned.org/Dutch_ICMC> [Stand 2006-11-09].
Körner, Hans Harald.(2001): Betäubungsmittelgesetz, Arzneimittelgesetz, 5. Aufl., München.
Lauterbach; Guido (2006): Richtig kämpfen für sein Medikament. WDR Feature, Sende

Fachbereich Rechtswissenschaft, Universität Bremen, Postfach 330440, 28334 Bremen; E-Mail: boe@uni-bremen.de
datum: 19.08.2006.

Quelle: Kriminologisches Journal H.1/2007, S.42-54 (Juventa Verlag)

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