ÜBER DIE VERWALTUNGS- , STRAF- UND SOZIALRECHTS-IRRWEGE VON BÜROKRATIEAUSWUCHSPHÄNOMENEN ZU LASTEN KRANKER KLIENTEL
Wer nicht bereit ist übers Limit zu gehen,
hat das Spiel nicht begriffen.
Winston Churchill
Der aktuellen Reform des Gesundheitswesen mangelt es neben vielerlei anderen zu Recht kritisierten Unzulänglichkeiten auch an einer notwendig erforderlichen Rechtssicherheit zum Thema "Cannabis als Medizin".
Die unerträgliche Alltagssituation vieler kranker Menschen mit ärztlicher Indikation auf Hanfgebrauch zu Therapiezwecken steckt nach gut 35 Jahren des in der Bundesrepublik Deutschland zur Anwendung kommenden Betäubungsmittelgesetzes inzwischen starr und unverrückbar fest inmitten einer verwirrenden – und zugleich äußerst beschämenden Grauzone von noch immer ungeklärt bürokratischer Beamten- und Behördenzuständigkeit.
Persönliche Patientenschicksale, die keineswegs nur noch Einzelfälle sind, entwickeln sich deshalb im ohnehin zugespitzten Empfinden und Erleben der Betroffenen unter der ständigen Sanktionsträchtigkeit staatlicher Gesetzesmaßnahmen zur fast schon lebensbedrohlichen Enge in tunnelartig anmutenden Sackgassen.
Diese düstere Ausweglosigkeit eigener leidensminimierender Absichten aus Selbsterhaltung mündet nicht selten im Suizid des jeweiligen Kranken, weil dessen dürftige Möglichkeiten auf eine sozialorientierte Entscheidungsherbeiführung hinsichtlich seines medizinischen Cannabiskonsums zumeist bereits erschöpft – oder aus Gründen der Unfinanzierbarkeit langwieriger Klage- und Gerichtsinstanzen – Marathons nicht realisierbar zu sein scheinen. Die große Mehrzahl derart finaler Verzweiflungsakte ist demnach zutiefst depressiven Ursprungs, was mit hoher Sicherheit auch aus den prekären Umständen eines individuell nur mangelhaft ausgeprägten Intellekts herrührt und eine fehlende Resistenz gegen die im Zuge von Schriftverkehr aufkommende Flut von Gutachtenforderungen, Entscheidungsfindungen, Richtlinien, Widerspruchsmöglichkeiten, Gesetzesbestimmungen u. v. A. m. zur Folge hat.
Legale Auswege aus diesem Dilemma sind deswegen für Patienten zumeist nicht ersichtlich. Es entsteht ein selbstmordträchtiges Klima, das bei objektiver Betrachtung wegen der zu erduldenden physischen und psychischen Schmerzen der Kranken ein Bild von zynischer Willkür, Amtsmissbrauch und totalitärem Revanchismus seitens der Kompetenzträger gegen vermeintliche Randgruppen der Gesellschaft in die Öffentlichkeit transportiert.
Hoffnungen auf Schmerzreduktion durch Medizinalcannabisgebrauch werden hundertfach mit kaum zu überwindenden Hürden aus verwaltungs- und justizbürokratischem Geflecht verstellt und überdies seitens der Exekutive mit Machtdrohungen und permanenter Angstauslösung verbarrikadiert: Angst vor Strafandrohung und sozialer Ausgrenzung durch Führerschein- und Arbeitsverlust, Angst vor Stigmatisierung im Familien- und Bekanntenkreis und begründete Angst vor immensen Anwalts-, Gerichts-, Telefon-, Porto und sonstigen Gebührenkosten. Gleichrangig neben diesen Ängsten steht die Furcht eines unendlich hohen persönlichen Zeitaufwandes für den normalerweise zu absolvierenden Instanzen – Wirrwarr, der für das einzelne Krankheitsbild des aus Not handelnden Antragstellers durch die zusätzlichen Stressfaktoren contraindiziert sein dürfte.
Die nach dem Grundgesetz berechtigten Hoffnungen auf körperliche Unversehrtheit und freie Therapiewahl jedes betroffenen Bürgers werden aber auch durch eine weit verbreitete, mangelhafte Sachkenntnis und inadäquate Aufklärung derjenigen Personen zerstört, die endgültige Entscheidungen über die schmerz- und leidgeplagte Existenz von Hilfe suchenden Menschen treffen, deren Diagnosen auf schwere, chronische und oft tödlich verlaufende Krankheiten lauten.
Es entwickelt sich zwangsläufig eine Systematik aus Russischem Roulette im kaum zu überblickenden Labyrinth aus Zuständigkeit, sozialrechtlichem Anspruch, Strafwürdigkeit und w. o. ausgeführt drastisch sich auswirkender Konsequenzen, indem beispielsweise
a) das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Falle einer Antragstellung auf Genehmigung von Anbau, Einfuhr und Konsum von Cannabis aus medizinischen Gründen zuständig ist, eine Entscheidung zu fällen.Trifft das BfArm die Entscheidung aus der Sicht des Antragstellers falsch, kann dieser entweder
b) einen kostenpflichtigen Widerspruch einlegen oder – falls (wie im vorliegenden Fall zutreffend) nach über drei und einem halben Jahr noch immer kein rechtsgültiger Bescheid vorliegt – den kostenpflichtigen Klageweg beim Verwaltungsgericht
beschreiten. Weitere Instanzen behördliche Belange betreffender Gerichte sind etwa das Oberverwaltungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht.
Diese jedoch ohne anwaltlichen Beistand oder ohne ausreichende Kostendeckung zu bemühen, ist nahezu ohne konkrete Aussicht auf Erfolg zu bewerten.
c) Die Polizei ist im Rahmen des Legalitätsprinzips hingegen generell zuständig für das Einschreiten gegen Hanfgebraucher/Hanfnutzer bei Kenntnisnahme von strafbaren Handlungen nach dem Betäubungsmittelgesetzt. Hierzu zählt u. a. der Besitz oder der Anbau von Cannabis. Nach entsprechender Aufnahme einer polizeilichen Anzeige entscheidet nach Abwägung des Straftatbestandes
d) die Staatsanwaltschaft des Gerichtsbezirkes über die Einleitung eines Strafverfahrens, welches auf Antrag der ermittelnden Behörde in der Regel vom örtlichen Amtsgericht geprüft und bei hinreichendem Tatverdacht zur Verhandlung gebracht wird. Weitere mögliche Straf- oder Beschwerde-Entscheidungsinstanzen des Justizwesens sind das Landgericht und das Oberlandesgericht.
Sieht sich der betroffene Cannabis – Anbauer und Besitzer in seinen verfassungsmäßig garantierten Grundrechten eingeschränkt, steht ihm das Recht einer aufwändigen Verfassungsbeschwerde zu. Alle vorgenannten Instanzen zu durchlaufen, ohne die Kostenpflichtigkeit des benötigten Rechtsbeistandes und aus der Sache resultierende Gerichtskosten zu bedenken, mindert auch die Erfolgsaussichten des unter a) genannten Antrags, falls selbiger unterdes wie unter c) zur (Selbst-)Anzeige kommt.
e) Ein weiterer Klageweg muss u. U. beschritten werden, wenn dem Kranken mit ärztlicher Indikation auf Cannabis ein "bei gewissen Krankheiten ähnlich wirkendes Medikament", nämlich DROBNABINOL© – per Betäubungsmittelsrezept verschrieben wird, jedoch die Krankenkasse (hier: AOK, S-H) nicht bereit ist, die Kosten zu übernehmen. Letztendliche Entscheidungsinstanz für den Fall einer Klage gegen den ablehnenden Bescheid der Krankenkasse und auf Erstattung der für die Einzelfalltherapie anfallenden Medikamentenkosten ist das Bundessozialgericht.
f) Eine weitere Möglichkeit der Entscheidungs-Herbeiführung für den Betroffenen liegt zudem im Einreichen einer Eingabe an den Petitionsausschuss des (S-H) Landtags.
Bis dato ist allerdings nicht bekannt, dass ein gegen seine vielfachen Leiden Hanf konsumierender Kranker durch das Hilfsmittel einer Petition an Landtagsabgeordnete abschließend positiv beschieden -, eine wie unter a) beantragte Anbaugenehmigung
genehmigt -, bzw. ein wie unter c) eingeleitetes Strafverfahren wegen notwendiger Vorabklärung von primärer Zuständigkeit (Verwaltungs- vor Straf – oder Straf – vor Verwaltungsrecht?) NICHT eingeleitet worden wäre.
g) Dem Antragsteller, Betroffenen, Kranken, Selbstanzeigenden, Beschuldigten, Kläger, Finanzier und Angeklagten in Personal-Union steht schlussendlich noch die Option offen, wegen des labyrinthartig verwirrenden und ständig neu abzweigenden Weges hin zum Ziel von persönlicher Schmerzreduktion, Leidensminimierung und Gestaltung des Alltags in schlichter Erträglichkeit sich an das Bundesgesundheitsministerium – und dort z. B. an die drogenpolitische Sprecherin der Bundesregierung, Frau Sabine Bätzing, zu wenden.
Entsprechende Schreiben sind allerdings bis heute unbeantwortet geblieben, so dass akut betroffenen AIDS-, Hepatitis-, Multiple Sklerose-, Morbus Crohn-, Migräne-,Glaukom- und Tourette – Syndrom-Patienten zu Tausenden nach wie vor nur der
Status Quo einer ethisch-moralisch fragwürdigen – weil durch falsche Gesetzgebung und politische Unfähigkeit aufgezwungene – Illegalität bleibt, in welcher die Hoffung einer Nicht – Entdeckung des Cannabis gebrauchenden Kranken in seiner tunnelartig
eingeengten Sackgassenwelt bloß noch eine "(er-)lebenswertere Alternative" zu bieten scheint: Die letztendliche Möglichkeit des Freitodes aus Gründen falscher Staatsräson.
Die Aussage Winston Churchills, "wer nicht übers Limit gehe, habe das Spiel nicht begriffen" beruht auf der geopolitischen Kriegslage der damaligen Zeit.
Da der von Ronald Reagan ausgerufene "War on Drugs" zweifelsfrei eine ebenso hohe wie unvorstellbare Anzahl von Toten, Verletzten und Bestraften innerhalb drogenkonsumierender Klientel hervorgebracht hat wie die schlimmsten Bombennächte über England, ist aus Sicht des Betroffenen auch die Überlegung statthaft, dass inzwischen lediglich die zur Anwendung kommenden Ausrottungstaktiken gegen Unschuldige sehr viel subtiler geworden sind.
Insofern ist das eigentliche Überschreiten des eigenen Limits gegen derartige Auswüchse bürokratischer Phänomene nichts anderes als eine entschuldbare Verzweiflungshandlung, die selbst nach § 34 StGB (Notwehr) nicht von Strafe befreit.
Die vorgenannten Umstände führen folgerichtig zur Konsequenz, dass auch die Limits sich weiter in Richtung allseits geduldeter Grausamkeit verschieben. Das ständige Überschreiten von Grenzen wird dadurch zur öden Alltagsroutine. Ebenso, wie massenhaftes Verrecken von (über Cannabis) unaufgeklärten Patienten im irren, wirren Labyrinth ihrer ständig zunehmend geringer werdenden Lebensaussichten.
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