Cannabis und die FDP

Am 30.09. startete der Deutsch Hanfverband (DHV) einen Protestmailer, um die FDP aufzufordern, im Zuge der Koalitionsverhandlungen ein Ende der Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten durchzusetzen.

Wir haben an der Aktion teilgenommen. Der Schriftverkehr daraus im Folgenden:

 

fdp-point@fdp.de schrieb:

Sehr geehrter Herr Einsle,

vielen Dank für Ihre Zuschrift. In Deutschland gibt es immer wieder Diskussionen um die Legalisierung von Cannabis. Die in der Öffentlichkeit oft geäußerte völlige Unbedenklichkeit des Hanfkonsums entspricht jedoch nicht den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen. Experten warnen insbesondere, dass Cannabis immer stärker und immer giftiger wird und nicht mehr vergleichbar ist mit der Substanz der so genannten Hippie-Droge der 70er Jahre. Der THC–Gehalt ist im Laufe der Jahre stetig gestiegen. Beispielsweise weisen Experten auf die Gefahr von schizophrenen Psychosen hin. Der Konsum von Cannabisprodukten ist eng mit dem Jugend- bzw. jungen Erwachsenenalter verknüpft. Untersuchungen zeigen, dass fast jeder Zweite in der Altersgruppe der 18- bis 20jährigen Erfahrungen mit Hanf hat. Wenn auch der Großteil der Jugendlichen nur selten Cannabis raucht oder der Konsum später beendet wird, wächst die Zahl derjenigen, die exzessiv konsumieren. Gerade für Kinder und Jugendliche ist die Gefahr von lebenslangen gesundheitlichen Schäden hoch. Nach aktuellem Forschungsstand kann davon ausgegangen werden, dass etwa 10 bis 15 % aller Konsumenten und Konsumentinnen nach internationalen Diagnosestandards einen abhängigen Cannabiskonsum aufweisen. Cannabiskonsumenten rauchen zudem häufiger Zigaretten und haben eine durchschnittlich größere Affinität zum exzessiven Alkoholkonsum. Vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse wird eine Legalisierung der so genannten weichen Drogen abgelehnt.

Allerdings hält die FDP den Weg, den Gelegenheitskonsumenten zu entkriminalisieren, für richtig. Es gilt angemessen und verhältnismäßig auf die Tatsache zu reagieren, dass das gelegentliche Rauchen eines Joints ein gesellschaftliches Phänomen ist, das nicht repressiv und mit aller Staatsmacht angegangen werden muss. Hier muss nach praktikablen Lösungen gesucht werden, die auch die Behörden und Gerichte so gering wie möglich belasten.

Die gesundheitlichen und gesellschaftlichen Gefahren, die entstehen, sobald aus dem gelegentlichen Konsum ein Dauerkonsum wird und die Konsumenten keine Erwachsenen sondern Kinder sind, verlangen eine Intensivierung der Aufklärungsarbeit. Vor allem in Zeiten, in denen der Cannabiskonsum gerade bei Kindern und Jugendlichen besorgniserregend ansteigt. Daher setzt sich die FDP-Bundestagsfraktion dafür ein, dass zudem bereits bestehende Präventionsmaßnahmen – beispielsweise der BzgA – und weitere effektive suchtspezifische Hilfsangebote und zielgruppenspezifische Präventionsansätze ausgebaut werden.
 
Eine liberale Sucht- und Drogenpolitik setzt stärker auf Prävention als auf Repression. Das gilt auch für Cannabis.

Mit freundlichen Grüßen

Tonja Kuhn
FDP-Info-Point

FDP-Bundesgeschäftsstelle
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FDP-Info-Point
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P.S.: “Deutschland kann es besser. Stärken Sie uns, damit wir Sie stärken können: Mehr unter: mitmachen.fdp.de”

 

 

Sehr geehrte Frau Kuhn,

 

 

vielen Dank für Ihre prompte Antwort.

Als langjähriger Patient und Cannabisnutzer – inzwischen legal in Form des halbsynthetisch hergestellten, aber für viele unerschwinglich teuren Rezepturarzneimittels “Dronabinol” – und als ein Sprecher des Selbsthilfenetzwerks Cannabis Medizin (SCM) stehen für mich die medizinischen Belange hinsichtlich Cannabis klar im Vordergrund. Da wir jedoch auch immer wieder mit all den Argumenten wie Jugendschutz etc. gegen eine medizinische (!) Cannabisnutzung konfrontiert werden, möchte ich heute die Gelegenheit nutzen, auch bzgl. Cannabis im Allgemeinen einige Punkte aufzugreifen. Denn einerseits teile ich durchaus Ihre Bedenken bzgl. des Trugbildes einer völligen Unbedenklichkeit des Hanfkonsums, insbesondere unter Jugendlichen, sehe aber andererseits anhand Ihrer Antwort auch erheblichen Aufklärungsbedarf in den Reihen der FDP.

 

“Cannabis wird immer giftiger”

Sie schreiben, Cannabis werde “immer giftiger”, obwohl gerade Cannabinoide als nicht toxisch gelten. Die insb. von populistichen Medien gerne gewählte Bezeichnung “Rauschgift” für Cannabis ist daher völlig unangebracht, und erzeugt möglicherweise auch in Ihrer Partei ein völlig falsches Bild. Eine Toxizität ist bei Cannabis allenfalls dadurch gegeben, dass in den letzten Jahren durch profitgierige Händler vermehrt Cannabis mit Fremdstoffen gestreckt wird, darunter feinste Glassplitter, Blei und Kunststoff – Gefahren, die durch die Erlaubnis zum Eigenanbau weniger Pflanzen für den Eigenbedarf völlig eliminiert werden könnte. Ein echtes Rausch- und Nervengift wurde dagegen völlig ungestraft bis vor wenigen Tagen in Großmengen unter Erzielung hoher Gewinne auf dem Münchner Oktoberfest ausgeschenkt!

“Cannabis wird immer stärker”

Auch das Zerrbild vom “immer stärker werdenden Gras” kann ich nicht so stehen lassen. Wie in jedem Bereich der Wirtschaft  – gerade hier besitzt ja die FDP besondere Kompetenz – wird selbstverständlich eine Rationalisierung und eine damit verbundene Gewinnmaximierung angestrebt, so dass bzgl. Cannabis mitunter ertragreiche Sorten und ausgeklügelte Anbaumethoden zum Einsatz kommen. Abgesehen davon, dass Cannabis mit einem THC-Gehalt von 20% in der Praxis so gut wie nicht erhältlich ist, und der Steigerung des Wirkstoffgehalts natürliche Grenzen gesetzt sind – schließlich beansprucht die eigentliche Pflanze einen erheblichen Anteil an Biomasse, ohne die sie nicht existieren kann – sollte Ihnen doch klar sein, dass der Rationalisierungsvorteil NICHT an den Konsumenten weitergereicht wird: Cannabis mit hohem Gehalt wird selbstverständlich zu entsprechend hohen Schwarzmarktpreisen gehandelt. Konsumenten dosieren  “gutes” Cannabis entsprechend niedriger – allein schon aus Kostengründen. Cannabis von heute bleibt daher durchaus vergleichbar mit Cannabis aus den 70er-Jahren!

“Gefahr schizophrener Psychosen”

Einen klaren, wissenschaftlichen Beleg für den Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und dem Auftreten von Psychosen kann ich nicht finden. Sie schreiben selbst, dass fast jeder zweite Jugendliche Erfahrung mit Cannabis hat. Würde ein signifikantes Risiko einer Psychose durch Cannabiskonsum bestehen, müsste sich dies an einem überaus signifikanten Anteil von Jugendlichen, die eine Psychose erleiden, widerspiegeln. Und selbst dann stellt sich die Frage nach der Henne und dem Ei: wer war zuerst da, die Veranlagung zur Psychose, oder der Cannabiskonsum?

Im Übrigen: gerade wenn Sie um den Schutz der Jugend bemüht sind: bitte sehen sie sich an, welche Dimensionen der Alkoholmissbrauch während der letzten Jahre gerade unter Jugendlichen angenommen hat! Sicher ist Ihnen der Begriff der Alkoholpsychose nicht unbekannt. Warum wird dieses Risiko bei Alkohol ignoriert, bei Cannabis dagegen hochgespielt?

Keine Droge ist frei von Risiken, auch Cannabis nicht, aber mit Verlaub: mir scheint, dass die gefürchtete “Cannabispsychose” viel mehr als Scheinargument benutzt wird, wenn alle anderen logischen Argumente versagen.

Entkriminalisierung des Gelegenheitskonsums

Ihr Bestreben der Entkriminalisierung gelegentlichen Cannabiskonsums begrüße ich, würde jedoch gerne mehr über Ihren Weg dorthin erfahren.
Gegenwärtig wird Erwachsenen wie Jugendlichen dadurch “geholfen”, dass sie wie Verbrecher behandelt und zu Geld- und/oder Freiheitsstrafen verurteilt werden:

  • Sie verlieren Ihren Führerschein oder erhalten eine Führerscheinsperre, und zwar unabhängig davon, ob überhaupt jemals unter Cannabiseinfluss gefahren wurde.
  • Durch die Verurteilung als Verbrecher verlieren sie ihren Job, bzw. verlieren durch die eingetragene Vorstrafe jede Chance, jemals einem vernünftigen Job nachgehen zu können.
  • Selbst Patienten, die Cannabis aus medizinischen Gründen verwenden MÜSSEN, bleiben nicht vor Strafverfolgung verschont, sondern werden ohne Rücksicht auf Verluste in entwürdigender Weise durch die Justiz gequält und kaputt gemacht.

Und dies alles “im Namen des Volkes”?! Langsam schäme ich mich, Bürger dieses Landes zu sein. Wir reagieren empört darauf, wenn sich Frau Ramelow weigert, die  ehemalige DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen, und kehren dabei einfach unter den Teppich, mit welcher Willkür und Unverhältnismäßigkeit sich unser sogenannter “Rechtsstaat” an einem nicht unerheblichen Teil der eigenen Bürger austobt?!

Dies kann weder im Interesse des Staates noch Ihrer Partei liegen!

Bitte teilen Sie mir mehr über Ihre konkreten Maßnahmen mit, die zur angestrebten Entkriminalisierung führen sollen, insbesondere auch hinsichtlich des medizinischen Gebrauchs durch Patienten.

 

Diese e-mail wird auf unserem Internet-Blog https://blog.selbsthilfenetzwerk-cannabis-medizin.de veröffentlicht. Gerne stehe wir Ihnen für Rückfragen jederzeit zur Verfügung, und verbleiben

 

mit freundlichen Grüßen

i.A. Markus Einsle
Sprecher Selbsthilfenetzwerk Cannabis Medizin

-- Cannabis ist Medizin - stoppt die Kriminalisierung von Patienten!
https://blog.selbsthilfenetzwerk-cannabis-medizin.de

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