Brief des SCM an die Mitglieder des Gesundheitsausschusses

Brief des SCM an die Mitglieder des Gesundheitsausschusses des deutschen Bundestags und die drogenpolitischen Sprecher der Parteien

Sehr geehrte Damen und Herren

Wir, die im Selbsthilfenetzwerk-Cannabis-Medizin zusammengeschlossenen Patienten, möchten Ihnen nach der Versendung des jüngsten Protestmailers unser Anliegen und unsere Forderungen noch einmal darlegen und erneut und dringend Ihre konkrete Unterstützung erbitten.

Die Erlaubnis zum Bezug eines Cannabisextrakts durch das BfArM an ausgewählt wenige Kranke entspricht nicht den Vorgaben, die das Bundesverwaltungsgericht dem BfArM zum Umgang mit antragstellenden Patienten gemacht hat.

Im Urteil heisst es, dass das BfArM die Patienten nicht auf ein Medikament verweisen darf, das “weder ohne weiteres verfügbar – noch für den normalen Bürger erschwinglich ist”.

Beide genannten Umstände treffen jedoch auf den zur Verfügung gestellten Extrakt zu. De facto weiss niemand, was dieses Mittel im Range eine Test-Medikaments kosten soll. Nicht einmal der Hersteller hat aktuell eine Preisvorstellung, da er für vereinzelte Patienten seine Kosten nicht kalkulieren kann und aus diesem Grund den Extrakt vorläufig umsonst abgibt.

Unumstösslich fest steht aber, dass bei solider wirtschaftlicher Kalkulation die Kosten derart hoch sind, dass finanzschwache Patienten diesen Extrakt sich nicht leisten können, da bereits das Ausgangsprodukt (medizinisches Cannabis der Fa. Bedrocan) für die meisten Bedürftigen zu teuer ist.

Eine Kostenerstattung durch die Kassen hat das BfArM ausgeschlossen.

Dieser Extrakt wird demnach – wie schon die Monosubstanz Dronabinol – ausschliesslich begüterten Patienten zur Verfügung stehen.

Darüber hinaus bemängeln wir, dass das Antragsverfahren und das aufwändige verwaltungsrechtliche Procedere für Patienten wie Ärzte gleichermassen unzumutbar ist:

Die Entscheidung über eine Medikation muss beim behandelnden Arzt liegen und darf nicht einer ferndiagnostischen Entscheidung seitens der zuständigen Mitarbeiter beim BfArM unterliegen, welche weder die erforderliche Sachkenntnis über das pharmakologische Wirkspektrum von Cannabis haben – noch hinreichend Einblick in die individuelle Leidensgeschichte der antragstellenden Patienten. Es widerspricht dem Recht auf angemessene medizinische Versorgung und auf freie Arztwahl, dass ein Jurist, ein Pharmazeut und ein nicht praktizierender Mediziner das therapeutische Vorgehen der behandelnden Ärzte bis in alle Einzelheiten durchleuchten und entgegen bereits eindeutig gestellter Indikation per Ferndiagnose Medikamente – Zitat BfArM – “Opioide, Antidepressiva und Neuroleptika” empfehlen.

Die Genehmigung für einen Cannabisgebrauch muss sich auch ausschliesslich an der medizinischen Notwendigkeit orientieren und darf nicht an nichtmedizinischen Gründen, etwa an “Unzuverlässigkeit wegen Vorstrafen” scheitern, wie dies vom BfArM entgegen dem Gleichheitsgrundsatz praktiziert wird.

Die Sicherheitsvorkehrungen im individuellen Umgang mit Cannabis als Medizin müssen sich zudem an der relativen Nebenwirkungsfreiheit der Heilpflanze orientieren und dürfen nicht aus rein politischen Motiven die Sicherheitsvorkehrungen bei anderen Medikamenten übertreffen, deren missbräuchliche Verwendung im Gegensatz zu Cannabis u. U. tödliche Folgen haben kann.

Darüber hinaus weisen wir erneut und mit Nachdruck darauf hin, dass der schwerkranke Morbus-Crohn-Patient und SCM – Mitglied Volker Krug sich

noch immer in Untersuchungshaft befindet. Es ist ein Justizskandal, dass ein Patient einzig und allein wegen des Sich- Verschaffens eines krankheitslindernden Medikaments derart hart kriminalisiert und verfolgt wird und eine zweifelsohne auftretende gesundheitliche Verschlechterung des ohnehin bedenklichen Zustands von Herrn Krug seitens der bayrischen Justizbehörden in Kauf genommen wird.

Sie sind darüber informiert. Bitte greifen Sie ein!

Bitte helfen Sie des Weiteren unsere Ziele umzusetzen:

Die einfachste Lösung zur Sicherstellung unserer medizinischen Versorgung ist die Umstufung von Cannabis aus der Anlage I zu § 1 Abs.1 BtMG – nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel – in die Anlage III – verkehrs- und verschreibungsfähige Betäubungsmittel.

Als Minimallösung fordern wir:

1. Sofortige Haftentlassung derjenigen Patienten, die wegen medizinischer Verwendung von Cannabis in Haft befindlich sind (§ 31b BtmG).

2. Einstellung sämtlicher Prozesse gegen Patienten, die Cannabis aus medizinischen Gründen verwenden (§ 31b BtmG).

3. Ausnahmegenehmigungen für den Eigenanbau und für den Import von Cannabis bis zur rechtsverbindlichen Regelung der Kostenübernahme für ein standardisiertes Cannabis-Produkt durch die Kassen bzw. bis das Expertengremium einen Konsens hinsichtlich einer ärztlich vertretbaren Behandlung der Antragsteller findet.

4. Die Entscheidung, ob und welcher Cannabisbedarf beim jeweiligen Patienten vorliegt, muss künftig beim behandelnden Arzt liegen, in dessen medizinische Obhut und Begleitung der Kranke sich begibt.

5. Neuprüfung und Neuentscheidung aller bisher abgelehnten Anträge unter Vorgabe klarer und vom Patienten umsetzbar Bedingungen.

6. Ersatzlose Streichung aller nichtmedizinischen Ablehnungsgründe.

Wir bitten Sie, die Einrichtung einer Arbeitsgruppe aus medizinischen und juristischen Experten auf dem Gebiet Cannabis als Medizin sowie aus politisch Verantwortlichen vom Gesundheitsministerium und/oder BfArM zu initiieren, die Wege für unsere medizinische Versorgung findet und Kriterien erstellt

  • für welche Krankheitsbilder eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden kann,
  • wie viele ärztliche Befürwortungen beim jeweiligen Krankheitsbild notwendig sind, um eine Cannabismedikation zu genehmigen,
  • unter welchen patientengerechten Bedingung der Selbst-Anbau von Cannabis zu therapeutischen Zwecken möglich ist.

Für eine umfassendere Meinungsbildung zu diesem Thema und zur Kenntnisnahme, dass sachkompetente Experten unsere praxisorientierte Meinung hinsichtlich der von uns unterbreiteten Lösungsvorschläge teilen, empfehlen wir die Fachbeiträge

des Rechtswissenschaftlers Prof. Dr. jur. Lorenz Böllinger

https://www.selbsthilfenetzwerk-cannabis-medizin.de/html/blogg.php?nID=51

und des Kommentators des BtMG, Oberstaatsanwalt Dr. Harald Körner

https://www.selbsthilfenetzwerk-cannabis-medizin.de/html/blogg.php?nID=48

Prof. Böllinger, Dr. Körner und Dr.Grotenhermen, der international anerkannter Experte auf dem Gebiet der pharmakologischen Wirksamkeit von Cannabis ist, wären nach einer entsprechenden Einladung sicherlich bereit, ihr umfangreiches Expertenwissen im Sinne einer für alle beteiligten Seiten zufriedenstellenden Lösung bereitzustellen.

Mit freundlichen Grüßen und der Hoffnung auf Ihre Hilfe

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