Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages

Am 15. Oktober 2008 findet im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages eine Anhörung zum Thema Cannabis als Medizin statt.

Auch das SCM wird bei dieser Anhörung vertreten sein. Unsere Stellungnahme, die vorab an die Mitglieder des Gesundheitsausschusses ging, im Folgenden:

 

Stellungnahme des SCM zur Anhörung des Gesundheitsausschusses am 15. Oktober 2008

Das Selbsthilfenetzwerk-Cannabis-Medizin ist ein Zusammenschluss von Patienten, die von Cannabis, Dronabinol oder Cannabisextrakt gesundheitlich profitieren, jedoch vom strikten Verbot der Verwendung dieser Heilmittel existentiell durch Kriminalisierung und strafrechtliche Verfolgung betroffen sind.

Wir begrüßen die Anträge von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke und hoffen in unserer tiefen Verzweiflung, dass diese politischen Initiativen endlich in die Tat umgesetzt werden.

  • Es muss Schluss damit sein, dass Schwerkranke aufgrund einer Selbstversorgung mit Cannabis jahrelangen Strafprozessen ausgesetzt werden, die nicht selten mit Verurteilungen zu existenzvernichtenden Geld- und Freiheitsstafen enden.
  • Es muss Schluss damit sein, dass der finanzielle Status eines Patienten über eine notwendige Behandlung mit Cannabinoiden entscheidet. Während das Rezepturarzneimittel Dronabinol durch Bessergestellte finanzierbar ist, bzw. von privaten Krankenkassen erstattet wird, sind die monatlichen Kosten in der Größenordnung von 400 –800 EUR für finanziell Schlechtergestellte weder tragbar, noch werden sie von den gesetzlichen Krankenversicherungen übernommen.
  • Es muss Schluss damit sein, dass Patienten sich auf dem Schwarzmarkt mit Cannabis versorgen müssen, wo die Gefahren gesundheitsschädlicher Beimengungen mit Stoffen wie Blei, Glassplittern oder Talkum allgegenwärtig sind.
  • Es muss letztendlich auch Schluss damit sein, das Patienten mit dem Stigma „Cannabis-Abusus“ versehen werden, vorbestrafte Kranke automatisch als unzuverlässig gelten und somit von vorn herein von der Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung durch das BfArM ausgeschlossen werden, nur weil die wahrheitsgemäße Aufklärung über den medizinischen Nutzen dieser Heilpflanze dem politischem Kalkül geopfert wird.

Wir appellieren deshalb eindringlich an Ihre Menschlichkeit und bitten Sie um Ihre vorbehaltlose und vorurteilsfreie Unterstützung für unser Anliegen.

Selbstverständlich würden wir es begrüßen, Cannabis oder wirksame Cannabis-Zubereitungen wie jedes andere Medikament in der Apotheke kaufen zu dürfen.

Dies zu bewerkstelligen, liegt nicht in unseren Händen.

In unserer unerträglichen Situation können wir nicht länger darauf warten, weil unsere Krankheiten und auch ihr permanentes Fortschreiten nicht warten.

Wir brauchen eine Lösung. Jetzt. Sofort!

Oftmals wird argumentiert, dass zur Beurteilung der Wirksamkeit von Cannabinoiden keine ausreichenden Studienergebnisse vorlägen. Für den einzelnen erkrankten Menschen ist dagegen keine fehlende Statistik, sondern allein die real erfahrene Linderung seines Leidens von Relevanz. Nicht zuletzt ist es das BtMG, das jegliche Forschung und Studien zu diesem Thema stark behindert.

Immer wieder wird durch die Politik auf die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung durch das BfArM verwiesen. In der Praxis stellt sich diese für einen Patienten, der mit natürlichem Cannabis sehr gute Behandlungserfolge erzielt, als überaus kompliziertes, kostenpflichtiges und mit hohen Hürden versehenes Prozedere mit äußerst geringen Aussichten auf Erfolg dar:

  • Patienten werden bereits im Vorfeld aus nichtmedizinischen Gründen, z.B. aufgrund einer Vorstrafe, ausgefiltert.
  • Der Patient muss nachweisen, dass mittels konventioneller Medikamente kein ausreichender Behandlungserfolg erzielt wird. Obwohl die Krankheit stetig fortschreitet, und das geeignete Mittel bekannt ist, wird der Patient also genötigt, unter Schmerzen eine nicht wirksame Behandlung über sich ergehen zu lassen, die z.T. erhebliche Nebenwirkungen mit sich bringt, deren Folge ggf. irreversible Gesundheitsschäden sind.
  • Der Patient muss nachweisen, dass mit Dronabinol kein ausreichender Behandlungserfolg erzielt wird, obwohl hinreichend bekannt ist, dass die Kassen in den allermeisten Fällen die Kosten für dieses teure Rezepturarzneimittel gar nicht übernehmen.

Jeder hat das Recht – das Grundrecht – die eigenen Leiden zu lindern, solange er Anderen damit nicht schadet.

Angesichts der Bücher füllenden Tragödien als direkte Folge einer ungenügend erarbeiteten BtM- und Verwaltungsrechts-Gesetzgebung dauert der Kampf für die legale Verwendung von Cannabis als Arzneimittel bereits viel zu lange an – auf Kosten der Patienten, die zu einem menschenunwürdigen Dasein verdammt werden.

Wir möchten Ihnen deshalb exemplarisch nur einige Patientenschicksale aus den Reihen des SCM schildern, damit Sie sich ein konkretes Bild machen können, über welch furchtbare Zustände und menschenunwürdige Situationen Sie mitreden und letztlich entscheiden werden:

Uwe C.

Der ehemals selbständige Handwerksmeister aus Dresden erlitt bei einem Unfall vor 11 Jahren einen Nervenwurzelausriss c5-8. Drei Monate später wurde ihm in einer sehr gewagten OP am gesunden Plexus brachialis des anderen Armes vom aufgespaltenen c7 eine neue Nervenverbindung bis auf den Ellenbogen des kranken Armes gelegt. Damit wurden die Schmerzen, die zuvor schon mit Opiaten behandelt worden waren, noch stärker und quälender.

Zum bestehenden Phantomschmerz, der sich von Anfang an brennend, bohrend und einschießend äußerte, kam der Schmerz durch die misslungene OP hinzu. Auch wurde durch Bewegungen des gesunden Armes die Pein im gelähmten Arm noch verstärkt und einseitige Belastung und Verdrehung des gesamten Oberkörpers führten zu weiterer Drangsal. Nachts, bei Wetterwechseln oder bei Kälte erduldete Uwe C. nahezu höllische Qualen.

Wochenlange Aufenthalte in der Schmerzklinik und ständiges Wechseln der Medikamente brachten keine Besserung. Ein Mix aus Fentanyl – Pflastern (75mg/h) , Cassadan, Lyrica, Remergil, Neurontin, Nexium, Finlepsin zeigte keinen Erfolg, so dass Uwe C. aktuell als austherapiert gilt, ohne dass eine auch nur annähernd ausreichende Schmerzfreiheit gewährleistet ist.

Einzig Cannabis vermag Herrn C. über die starken Schmerzschübe und die daraus resultierenden seelischen Tiefs hinweghelfen. Im Zuge der Antragstellung beim BfArM auf eine Ausnahmegenehmigung für den Eigenanbau von Cannabis wurde Herrn C. zwar die Kostenübernahme für Dronabinol bewilligt. Da das Mittel im Falle der Schmerzschübe jedoch keine ausreichende Linderung bringt, ergänzte er Dronabinol durch die Wirkung von inhaliertem Cannabis. Den dadurch eintretenden Erfolg empfand er als durchschlagend positiv. Mittels der Kombination aus Dronabiol und Cannabis konnte Uwe C. erstmals nach vielen Jahren sein beeinträchtigtes Leben wieder genießen.

Allerdings nur für wenige Wochen. Dann wurden seine Cannabispflanzen beschlagnahmt. Herr C. stand damit nicht einmal mehr dieses schwache, schnell wirkende Medikament gegen die Durchbruchs-Schmerzen zur Verfügung. Herr C. wartet jetzt auf seinen Strafprozess. Die Staatsanwaltschaft hat im Vorfeld bereits eine Haftstrafe von 18 Monaten gefordert.

Günter D.

Der 56 jährige leidet seit 24 Jahren an Multipler Sklerose, die sich seit 11 Jahren auch in starken Spastiken und Ataxien äußert. Die üblichen Antispastika brachten keine Linderung und mussten aufgrund der inakzeptablen Nebenwirkungen wieder abgesetzt werden. Er bekam deshalb Dronabinol-Tropfen. Spastiken und Ataxien verschwanden. Herr D. konnte sich nach eigenen Angaben bewegen “wie in alten Zeiten”.

Sechs Jahre lang übernahm seine Krankenkasse die Kosten für das Dronabinol, bis dann im Juli 2004 ein Schreiben des MDK mitteilte: “Es besteht bei Ihnen zweifellos eine schwerwiegende Erkrankung, allerdings liegen in Deutschland keine Ergebnisse kontrollierter Studien zur Verwendung von Dronabinol vor. Aufgrund dieser nicht ausreichenden Datenlage ist derzeit die therapeutische Anwendung von Dronabinol bei Multipler Sklerose in sozialmedizinischer Hinsicht nicht gerechtfertigt.”

Seither verschlechterte sich Herrn D.`s Gesundheitszustand derart rapide, dass Herr D. auf Cannabis zurückgreifen musste.

Im Jahr 2000 stellte Herr D. gemäß § Abs. 2 BtMG einen ersten Antrag beim BfArM auf eine Ausnahmegenehmigung, der – wie damals alle Anträge – pauschal mit der Begründung abgelehnt wurde, die Versorgung einzelner Patienten läge nicht im öffentlichen Interesse. 2005 stellte Herr D. seinen zweiten Antrag, welcher Mitte 2007 noch immer nicht entschieden war.

Im Zuge einer Protestaktion des SCM gegen die Inhaftierung eines schwer erkrankten Morbus Crohn-Patienten schrieb Herr D. an den zuständigen Richter und an die Staatsanwalt und schilderte seine Erfahrung mit Cannabis als Medikament.

Die Staatsanwaltschaft reagierte mit der Anordnung einer Hausdurchsuchung und der Einleitung eines Strafverfahrens.

Inzwischen wurde Herrn D. vom BfArM ein Cannabis-Extrakt bewilligt; allerdings wirkt dieser nicht annähernd so gut wie natürliches Cannabis oder Dronabinol.

Volker K.

Herr K. erkrankte vor 24 Jahren an Morbus Crohn. Sein schwerer Krankheitsverlauf war von unzähligen Schüben und Bauchoperationen geprägt. 1990 mussten der gesamte Dickdarm und 30 cm Dünndarm entfernt werden. Herr K. bekam einen künstlichen Darmausgang, der 1992 aufgrund einer Fistelbildung durch eine erneute OP verlegt werden musste. Jede dieser Operationen war mit neuen Schmerzen verbunden, jede Narbe führte zu Bewegungseinschränkungen und Hypersensibilisierung des operierten Bereiches.

1994 wurde eine weitere chronische Erkrankung diagnostiziert: Morbus Bechterew. Von 1984 bis 1999 nahm Herr K. regelmäßig Medikamente wie Cortison, Imoreck, Clont, Pantozol sowie Mittel wie etwa Tramal long 200, Valoron und MST gegen seine schweren Schmerzen ein. Seine Leberwerte wurden jedoch von Jahr zu Jahr problematischer; in der Folge kam eine 1999 konstatierte Medikamentenabhängigkeit hinzu.

Ab 2000 begann Herr K. Cannabis als Medikament einzunehmen und konnte die konventionelle Medikation immer weiter reduzieren. Seit vier Jahren ist er – trotz anderslautender Prognose der Ärzte – in der Lage auf konventionelle Medikamente zu verzichten. Das einzige Mittel, das er verwendete, war Cannabis.

Seither traten keine großen Morbus Crohn-Schübe mehr auf und die chronischen Schmerzen blieben erträglich. Selbst die Leberwerte sanken wieder in den Normbereich.

Ermutigt durch den ersten Freispruch eines Patienten, der pflanzliches Cannabis aus medizinischen Gründen verwendete, zeigte sich Herr K. im Sommer 2003 selbst an, um ebenfalls eine legale Versorgung zu erreichen. Erfolglos.

Mit der Justiz kam Herr K. fünfmal in Konflikt. Er musste Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen und hohe Geldstrafen bezahlen. Sein Antrag beim BfArM auf eine Ausnahmegenehmigung wurde abgelehnt. Er scheiterte u. a. auch daran, dass ihn bei dem überaus komplizierten Antragsprozedere kein Arzt unterstützt hatte, sondern hingegen die frühere Abhängigkeit von verschriebenen, bekanntermaßen suchtfördernden Medikamenten seitens des BfArM als Ablehnungsgrund herangezogen wurde. Weder ihm, seinem Arzt, noch seinem Anwalt gelang es bisher die Krankenkasse zu einer zustimmenden oder ablehnenden Aussage bezüglich der dringend erforderlichen Kostenübernahme von Dronabinol zu bewegen, was laut gängiger Antragsformalitäten zwingende Voraussetzung für einen positiven Bescheid vom BfArM ist.

Als sich Herr K. deshalb letztes Jahr illegal mit Cannabis aus Holland versorgte, wurde er im Zuge einer Personenkontrolle festgenommen und verbrachte vier Monate in Untersuchungshaft. Inzwischen wurde er zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.

Zu den Bewährungsauflagen gehört, kein Cannabis gegen seine Leiden zu verwenden und sich ständigen Drogenscreenings zu unterziehen, sobald er seinen lediglich aus Spenden finanzierten Dronabinol-Gebrauch unterbricht.

Herr K. Kann die finanziellen Mittel für Dronabinol nicht aufbringen, und trägt sich mit dem Gedanken in ein patientenfreundlicheres Nachbarland auszuwandern.

Axel J.

Seit 1973 Abhängigkeit vom Morphintyp, welche seit 1981 in offiziellen Codein- und Methadonprogrammen unter ärztlicher und sozialtherapeutischer Aufsicht erfolgreich kanalisiert wird.

1981 wurde eine Hepatitis C diagnostiziert, die inzwischen wiederholt virulent geworden ist und sich in ständigen Seitenschmerzen, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Hautausschlägen, Gewichtsverlust und depressiven Verstimmungen äußert.

Herr J. leidet seit 2001 überdies an ständigen Schmerzsymptomatiken, Parästhesien und Nervenausfällen durch einen operierten Bandscheibenvorfall LW4 – LW5, der zuvor monatelang erfolglos mit Stangyl, Diclophenac und Voltaren behandelt worden war. Die Vergabe stärkerer Mittel war aus ärztlicher Sicht wegen der bestehenden Abhängigkeitserkrankung und aufgrund der vorgeschädigten Leber kontraindiziert. Inzwischen verursacht die auf den Nerv drückende OP-Narbe ähnlich schmerzhafte Symptome und totale Bewegungseinschränkungen wie vor der OP.

Die auftretende Virulenz seiner chronischen Hepatitis wurde nach einem Rezidiv in zwei 36monatigen, nebenwirkungsreichen Interferon/Ribavirin-Therapien bekämpft.

Axel J. konnte nach Kenntnisnahme der Informationen der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin durch oral appliziertes und inhaliertes Cannabis nicht nur sein ständiges Erbrechen lindern und Appetit und Gewicht halten, sondern auch sämtliche auftretenden Schmerzzustände auf ein erträgliches Maß reduzieren, darüber hinaus den Tagesbedarf an Methadon um mehr als 90% senken und seine uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit erhalten.

Seine Anträge an das BfArM auf Genehmigung des Selbstanbaus von Cannabis zu therapeutischen Zwecken, bzw. Import von Medizinalcannabis aus den Niederlanden, wurden nach mehrjähriger Bearbeitungsdauer abgelehnt. Ablehnungsgründe waren u. a. eine aus seinen Vorstrafen vom BfArM konstruierte „Unzuverlässigkeit“, eine nicht ausreichende ärztliche Begutachtung und die angebliche Gefahr der Entwicklung einer Abhängigkeit vom Cannabistyp.

2006 erstattete Herr J. in seiner Verzweiflung bei der Polizei eine Selbstanzeige wegen der Nutzung von Cannabis als Medizin und wurde knapp ein Jahr danach zu einem Jahr Haft ohne Bewährung verurteilt. Aktuell setzt er seine Hoffnungen auf die Berufungsinstanz und die rechtliche Anerkennung des Status als Patient, der Cannabis zu notwendigen, medizinischen Zwecken verwendet.

Piet S.

Herr Piet S. litt nach einer von Gewaltexzessen begleiteten Kindheit an Drogenabhängigkeit, HIV/AIDS, an Hepatitis C, an schweren Neuropathien, Auszehrung und an Wasseransammlungen in Bauch in Beinen.

Sein etwa fünf Jahre währender Kampf mit der Justiz bei diversen Gerichtsinstanzen wg. Selbstanbau von Cannabis, endete schließlich mit einem Freispruch aus medizinisch begründetem und übergeordnetem Notstand nach § 34 StGB.

Herr S. hatte beim BfArM nach § 3 Abs. 2 BtMG eine Ausnahmegenehmigung auf Cannabis beantragt, war jedoch wegen nicht genügender ärztlicher Attestierung und aufgrund seiner Drogendelikt-Vorstrafen zurückgewiesen worden.

Im Verlaufe der stressintensiven Auseinandersetzungen mit der Justiz hatte Prof. Rommelspacher von der Charité in Berlin Herrn S. im Auftrage des Berliner Gerichts untersucht. Prof. Rommelspacher führte in seinem Gutachten glaubhaft aus, dass der Patient S. durch das Inhalieren von Cannabis – aber auch durch das Anfertigen von speziellen Umschlägen und Sitzbädern eine gute Linderung seiner vielen chronischen Symptomatiken erzielen konnte und die Selbsttherapie deshalb aus medizinischer Sicht als durchaus nachvollziehbar, sinnvoll und gerechtfertigt angesehen werden müsse.

Piet S. verstarb nach dem Verfahren im April 2008 aufgrund akuten Leberversagens.

Kurz vor seinem qualvollen Tod hatte Piet S. sich gegenüber anderen SCM-Mitgliedern noch sehr besorgt darüber gezeigt, ob er als Hartz-IV-Empfänger die Anwalts- und Gebührenkosten für eine neuerliche Antragstellung beim BfArM würde begleichen können.

Eine rechtzeitige positive Antragsbescheidung seitens des BfArM hätte für Herrn S. nicht nur ein menschenwürdiges Leben mit hinreichender Lebensqualität bedeutet, sondern möglicherweise auch eine längere Lebenszeit.

Claudia H.

Seit 1988 leidet die Patientin an Multipler Sklerose. Zunächst verlief die Krankheit in Schüben, deren Schäden sich zu Beginn noch gut zurückbildeten. Im Sommer 2002 begann eine deutliche Verschlechterung, insbesondere traten erstmals Spasmen auf.

Der Einsatz von Muskelrelaxantien wurde zunächst nur bei akuten Spastik-Attacken z.B. infolge von fieberhaften Erkrankungen eingesetzt (Tetrazepam). Auf eine kontinuierliche Medikation wurde verzichtet, da die Spastik ja immer auch eine Hilfe zur Überbrückung von Muskellähmung darstellt. Mit Zunahme der Spastik wurden auch Versuche mit baclofenhaltigen Präparaten durchgeführt. Hier stellte sich tagsüber eine zu starke lineare Muskelschwächung als nachteilig zur Bewältigung des Alltags heraus. Im Herbst 2003 wurde ein Versuch unternommen, Dronabinol zur Linderung der Spastik einzusetzen. Es wurden 2 mal täglich 1,5 – 2 mg Wirkstoff eingenommen. Bei dieser Dosierung war keine Verbesserung der Spastik zu erreichen.

Vermehrt wurde in einschlägigen MS-Zeitschriften und Vorträgen auf die erfolgreiche Verwendung der Cannabis-Pflanze (zubereitet als Gebäck oder Tee) hingewiesen.
Im Herbst 2004 hat die Patientin erstmals Cannabis-Tee eingesetzt und war damit erfolgreich. Bei einer Teezubereitung aus ca. 0,5 g Hanfblüten am Abend wurden die Sensibilitätsstörungen an Händen und Füßen vorübergehend deutlich besser, die Spasmen verschwanden und die Beweglichkeit konnte für die Nacht verbessert werden, was zu einer deutlichen Qualitätssteigerung der Nachtruhe führte. Zudem verschlechterte sich die im Zuge der Erkrankung entstandene Harn-Inkontinenz nicht, eher im Gegenteil. Die Patientin profitierte auch noch tagsüber von der abendlichen Einnahme.

Die Patientin stellte daraufhin im Januar 2006 einen Antrag auf Besitz und Verwendung von Cannabis beim BfArM. Nach Erfüllung diverser Auflagen und Einreichen weiterer Dokumente erhielt die Patientin im August 2007 eine auf nur 1 Jahr befristete Genehmigung für die Verwendung eines Cannabisextraktes, der über die Apotheke zu beziehen ist.

Nach fast einem Jahr Erfahrung muss festgestellt werden, dass die Wirkung des Extraktes nicht dem entspricht, was die Patientin beim Einsatz des Tees aus der gesamten Pflanze erlebt hat. Hier sind zum einen die fehlende vorübergehende Verbesserung der Sensibilitätsstörungen, die auch am Folgetag deutliche Linderung der Spastik und bessere Stabilität der nächtlichen Harninkontinenz zu nennen.

Im Juli 2007 wurde zum einen die Verlängerung der Genehmigung beantragt, gleichzeitig die Bitte geäußert erneut zu prüfen, inwiefern nicht doch der Bezug und die Genehmigung der Nutzung der ganzen Pflanze machbar wäre. Hier wäre es möglich, auch den Einsatz von gezielt für Spastik gezüchteten Pflanzen (Fa. Bedrocan, Niederlande) mit niedrigem THC-, aber hohem CBD-Gehalt zu testen.

Ein weiteres Problem des Extraktes sind die völlig ungeklärten Kosten. Der Hersteller versuchte im Laufe des Jahres immer wieder den Preis deutlich zu erhöhen, was zu Kosten geführt hätte, die für die Patientin nicht tragbar sind.

 

Ute Köhler

Die 54-jährige erkrankte 1985 an Gebärmutterhalskrebs. Sie wurde operiert und bestrahlt. Durch die Bestrahlung wurden bei ihr Gewebe, Schleimhäute und innere Organe geschädigt. Es folgten vierzehn Jahre schlimmster Schmerzen, keiner konnte ihr helfen, weder Krankenhausaufenthalte, Fachärzte, Psychologen, Kuren und so weiter. Die Behandlung mit Medikamenten, brachte ihr auch keine Linderung, da sie gegen Schmerzmittel allergisch ist, des weiteren leidet sie an chronischer Hepatitis B, so daß die Unverträglichkeit gegen Medikamente noch verstärkt wird.

Bei ihren Fachärzten galt Frau Köhler als austherapiert und wurde zu einem Schmerztherapeuten überwiesen. Dieser probierte all seine Mittel die ihm zur Verfü-gung standen an ihr aus, allerdings half alles nichts. Frau Köhlers gesundheitlicher Zustand, war nach vierzehn Jahren Schmerzen kritisch. Durch die bei der Bestrahlung geschädigte Harnblase konnte sie nachts nicht mehr schlafen, sie mußte bis zu 40 mal zur Toillette, sie litt an Schmerzen, Blutungen und an Abmagerung. Der Schmerztherapeut setzte dann Dronabinol ein, erst 3 x 5mg dies brachte ihr keine Linderung. Später erhöhte der Arzt die Dosis auf 3 x 10mg.

Mit dieser Dosierung kam eine Wende in ihr Leben. Sie fing wieder an zu essen, nachts konnte sie wieder schlafen, die Spastik in ihrem Bauch ließ nach, und auch ihre Depression. Frau Köhler konnte aus dem Krankenhaus entlassen werden und wieder ein menschenwürdiges Leben führen.

Allerdings hielt die Freude darüber nicht lange an. Nach eineinhalb Jahren verweigerte die AOK die Kostenübernahme und nahm im gleichem Atemzug den Schmerztherapeuten in Regress. Die Kosten von Dronabinol bewegen sich in einer Größenordnung, die von ihrer Rente nicht bezahlt werden kann. Glücklicherweise wurden diese Kosten von Sponsoren übernommen.

Seit Mai 2001 kämpft Frau Köhler um ihr einziges Medikament das sie schmerzfrei leben läßt. Sie verhandelte mit ihrer Krankenkasse, klagte beim Sozialgericht, wandte sich an Politiker und verschiedene Institutionen. 2004 besorgte sich Frau Köhler Hanfpflanzen und zeigte sich selbst an, um auf ihr Problem aufmerksam zu machen.

Verständnis und Unterstützung erhielt Frau Köhler vom Petitionsausschuß Thüringen, vom Sozialminister, vom Ministerpräsidenten von Thüringen sowie vom Petitionsauschuß in Berlin. Ihr Fall ist bekannt bei der Gesundheitsministerin Frau Ulla Schmidt, bei der Bundeskanzlerin sowie beim Bundespräsidenten Horst Köhler. Über sieben Jahr kämpft sie nun für ihre Medizin, sie findet das Verhalten der AOK ihr gegenüber als menschenunwürdig. Vor allem der Regress gegenüber dem Schmerztherapeuten ist aus ihrer Sicht ein Skandal. Der Schmerztherapeut hat seiner Passion folgend geheilt, hat ihr Leben gerettet und dafür wird er unter Regress genommen. Vierzehn Jahre konnte ihr keiner helfen, vierzehn Jahre hat die Krankenkasse aus ihrer Sicht nichtsbringende Leistungen bezahlt. Jetzt, da das heilende Medikament gefunden wurde verweigert sie die Kostenübernahme. Frau Köhler möchte doch einfach nur ohne Schmerzen leben dürfen. 

Weitere schwere Patientenschicksale entnehmen Sie bitte unserer Website https://.selbsthilfenetzwerk-cannabis-medizin.de oder den vielen Kommentaren unseres Online-Aufrufs zur Expertenanhörung am 15. Oktober 2008

Unter Verweis auf die fortschrittliche Situation einer mit großem Erfolg regulierten medizinischen Cannabisvergabe in Ländern wie beispielsweise Kanada, zwölf Bundesstaaten der USA und in europäischen Ländern wie den Niederlanden, Spanien,Österreich und Tschechien,bedarf es in der Bundesrepublik Deutschland so schnell als möglich einer dem alltäglichen Leiden unzähliger Patienten angemessenen Gesetzesanpassung, die Patienten von der Strafverfolgung ausschließt und eine Beschlagnahmung ihres Cannabis unterbindet.

 

Wir rufen Sie dazu auf, sich dieser Verantwortung zu stellen und Ihre Stimme für die dringlichen Überlebens- und Linderungsbelange einer chronisch und z.T. tödlich erkrankten Klientel zu erheben.

 

Gabriele Gebhardt, Markus Einsle

(Sprecher/in des SCM)

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