Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Bundesopiumstelle
Herrn Dr. Schinkel
Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3
53175 Bonn
nachrichtlich:
- Sabine Bätzing, MdB, Drogenbeauftragte der Bundesregierung
- Marion Caspers-Merk, MdB, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium
- Hubert Hüppe, MdB, Drogenpolitischer Sprecher, CDU/CSU-Fraktion
- Monika Knoche, MdB, Drogenpolitische Sprecherin, Fraktion Die Linke
- Detlef Parr, MdB, Drogenpolitischer Sprecher, FDP-Fraktion
- Dr. Harald Terpe, MdB, Drogenpolitischer Sprecher, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
30. Juli 2007
Anträge auf eine Ausnahmegenehmigung zur Verwendung von Cannabis durch Patienten nach § 3 BtMG
Sehr geehrter Herr Dr. Schinkel,
ich möchte Sie über zwei Begebenheiten informieren und Ihnen zehn Fragen stellen.
Zunächst möchte ich Sie über die Verhaftung von Herrn Volker K. informieren. Sie hatten zu Beginn des Jahres den Antrag von Herrn K., der an einem Morbus Crohn leidet und einen künstlichen Darmausgang hat, abgelehnt. Seit dem 9. Juli 2007 befindet er sich in der Justizvollzugsanstalt Würzburg in Untersuchungshaft. Ihm wird die Einfuhr einer nicht geringen Menge Haschisch aus den Niederlanden, also nach dem Gesetz ein Verbrechen, zur Last gelegt. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie daran erinnern, worum es bei den Anträgen um Ausnahmegenehmigungen nach § 3 BtMG geht. Es geht darum, Patienten eine legale Möglichkeit zur medizinischen Verwendung von Cannabis zu eröffnen, die sie vor staatlichen Drangsalierungen, wie sie Herr K. zur Zeit erleidet, schätzt.
Zudem möchte ich Sie darüber informieren, dass ich im Fall eines Antragstellers, dem kürzlich in einem Arztbrief über einen stationären Aufenthalt durch eine entsprechende Diagnose eine Cannabis-assoziierte Pathologie angedichtet werden sollte, interveniert habe. Die Diagnose wurde nach zwei Telefonaten fallen gelassen, da ihre Unhaltbarkeit von Seiten des Krankenhauses erfreulicherweise eingesehen wurde. Diese Intervention wurde notwendig, weil Sie einige Anträge mit der Begründung abgelehnt haben, es läge eine Cannabis-assoziierte Pathologie, wie beispielsweise eine Cannabisabhängigkeit oder ein Cannabismissbrauch, vor. So haben Sie auch den Antrag von Volker K. unter anderem mit der Begründung, es liege ein "Cannabis-Abusus" vor, abgelehnt. Eine entsprechende Diagnose, die einem Cannabis-konsumierenden Patienten schnell verpasst werden kann, ist daher offenbar einer Antragstellung beim BfArM abträglich, da dem BfArM die mangelnde Ernsthaftigkeit, mit der solche Diagnosen gelegentlich in deutschen Krankenhäusern und Arztpraxen ausgeteilt werden, offenbar bisher nicht bekannt war.
Meine Fragen nehmen Bezug auf mein Schreiben vom 3. Juli 2007 und die Antwort der parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Frau Marion Caspers-Merk, auf eine schriftliche Frage von Herrn Dr. Harald Terpe vom 17. Juli 2007. Sie lauten wie folgt.
1. Wie begründen Sie Ihre Bedenken gegen die Verwendung von Cannabis der Firma Bedrocan durch Patienten mit einer Ausnahmegenehmigung nach § 3 BtMG wegen eines bis zu 5 % schwankenden THC-Gehaltes, obwohl eine Schwankungsbreite von 5 % ein für Phytoarzneimittel akzeptierter Standard ist und auch beispielsweise für den Cannabisextrakt Cannador® akzeptiert wird?
2. Wie begründen Sie ihre Bedenken gegen die Verwendung von Cannabis der Firma Bedrocan wegen eines bis zu 5 % schwankenden THC-Gehaltes, angesichts der Tatsache dass die systemische Bioverfügbarkeit von THC nach oraler Aufnahme zwischen verschiedenen Individuen um mehr als 100 % schwankt und auch eine hohe intraindividuelle Variabilitt aufweist?
3. Gibt es nach Auffassung des BfArM aus medizinischer oder pharmazeutischer Sicht Gründe gegen die Verwendung von Cannabis aus eigenem Anbau von Patienten mit einer Ausnahmegenehmigung nach § 3 BtMG, nachdem der THC-Gehalt in einem rechtsmedizinischen Institut einer Universität bestimmt wurde?
4. Nachdem Sie gegen einen Import von Cannabis aus den Niederlanden den hohen administrativen Aufwand anführen, die administrativen Anforderungen jedoch von Ihnen selbst festgelegt werden, möchte ich Sie fragen, welche Möglichkeiten Sie sehen, um den administrativen Aufwand für das BfArM gering zu halten, und welche Vorgaben Sie für einen Import von Cannabis zur Behandlung von Patienten mit einer entsprechenden Ausnahmegenehmigung nach § 3 BtMG für unerlässlich halten?
5. Kann das BfArM Apotheken eine Ausnahmegenehmigung zur Lagerung von Cannabis, das für die medizinischen Verwendung durch einen Patienten mit einer Ausnahmegenehmigung nach § 3 BtMG bestimmt ist, gewähren?
6. Trifft es zu, dass die von Frau Caspers-Merk in ihrer Antwort auf Frage Nr. 7/87 erwähnten, vom BfArM gem. § 15 BtMG erlassenen Richtlinien über Maßnahmen zur Sicherung von Betäubungsmittelvorräten bei Erlaubnisinhabern nach § 3 BtMG den Titel "Richtlinien über Maßnahmen zur Sicherung von Betäubungsmittelvorräten im Krankenhausbereich, in öffentlichen Apotheken, Arztpraxen sowie Alten- Pflegeheimen" tragen, mit "Stand: 1.1.2007" datiert sind und somit auch nach Bekanntwerden des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Mai 2005 nicht auf die Aufbewahrung von Betäubungsmitteln bei Patienten, die diese Betäubungsmittel nur für den eigenen Bedarf aufbewahren, angewendet werden?
7. Trifft es zu, dass diese Richtlinien nach Auffassung des BfArM für alle Arten von Betäubungsmitteln gleichermaßen gelten sollen, also beispielsweise für einen Cannabisextrakt der Anlage 1 BtMG und für Dronabinol der Anlage 3 BtMG?
8. Trifft es zu, dass für Patienten, die Betäubungsmittel zum Eigenbedarf in ihrer Wohnung lagern, nach Auffassung des BfArM die Gleichartigkeit der Behandlung von Betäubungsmitteln der Anlagen 1 und 3 nicht gelten sollen?
9. Gibt es medizinische oder pharmakologische Gründe, warum das BfArM an die Aufbewahrung einer Opiumtinktur durch einen Patienten geringere Anforderungen als an die Aufbewahrung einer Cannabistinktur durch einen Patienten stellt?
10. Hält das BfArM aus medizinischer oder pharmazeutischer Sicht die Unterschiede zwischen einer Mischung aus Dronabinol und einem Extrakt aus Faserhanf ("Dronabinol-Faserhanfextrakt") einerseits und einem Extrakt aus Drogenhanf ("Cannabisextrakt") andererseits, die den gleichen Dronabinol-Gehalt aufweisen, für so gravierend, dass an ihre Aufbewahrung unterschiedliche Anforderungen gestellt werden müssen?
Im übrigen halte ich Herrn Volker K. weder für einen Verbrecher noch für einen Cannabismissbraucher, sondern für jemanden, der sein schweres Leiden möglichst in einem legalen Rahmen zu lindern sucht.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. med. Franjo Grotenhermen
Vorstandsvorsitzender
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