Auszug aus der gemeinsam veröffentlichten Pressemitteilung
Cannabis legal, Patient:innen egal? Gemeinsame Forderungen der Fachverbände gegen die Diskriminierung von Patient:innen im Cannabisgesetz (CanG / MedCanG)
10-Punkte-Plan für eine MedCanG-Reform
Berlin, 27.09.2023: Die Bundesregierung hat mit ihrem Kabinettsbeschluss für ein Cannabisgesetz (CanG) einen konkreten Reformvorschlag vorgestellt, der eine wegweisende Regulierung zur Entkriminalisierung von Konsumcannabis sowie zur Einführung von Anbauclubs vorsieht. Parallel dazu werden die Regelungen für Medizinalcannabis in das neu geschaffene Medizinalcannabisgesetz (MedCanG) überführt, was von den Fachverbänden ausdrücklich begrüßt wird. Während einige der vorgeschlagenen Änderungen als positive Schritte gewertet werden, bestehen große Bedenken hinsichtlich der anhaltenden Diskriminieurng von Cannabispatient:innen. Insbesondere das vorgeschlagene Verbot der Inhalation von Medizinalcannabis in der Öffentlichkeit wird als vollkommen unzumutbar und realitätsfern angesehen.
Neun Fachverbände für Medizinalcannabis haben nun zehn Forderungen für eine umfassende Reform des Gesetzesentwurfs ausgearbeitet und in einem gemeinsamen Positionspapier vorgestellt:
- Einnahme der Cannabismedikation für Cannabispatient:innen uneingeschränkt ermöglichen: Die im Gesetzesentwurf vorgeschlagenen Abstandsregelungen für Patient:innen müssen gestrichen werden.
- Gleichbehandlung von Cannabispatient:innen im Straßenverkehr schaffen: Cannabispatient:innen dürfen im Straßenverkehr nicht diskriminiert werden und ein fairer Umgang mit Ihrer Situation muss sichergestellt werden.
- Genehmigungsvorbehalt schadet Patient:innen: Unnötige bürokratische Hürden, die den Zugang zu und die Kostenerstattung von medizinischem Cannabis erschweren, müssen abgebaut werden.
- Therapiehoheit der Ärzteschaft wahren: Ärzt:innen müssen die uneingeschränkte Befugnis behalten, die besten Therapieoptionen für ihre Patient:innen auszuwählen.
- Unnötige Strafvorschriften für medizinisches Cannabis streichen: Strafen, die Patient:innen aufgrund der legalen Anwendung von medizinischem Cannabis treffen könnten, müssen gestrichen werden.
- Gleichbehandlung von Fertigarzneimitteln und Rezepturarzneimitteln wiederherstellen: Es darf keine Benachteiligung von Patient:innen geben, die auf spezielle Rezepturarzneimittel angewiesen sind.
- Forschungsvorhaben für Cannabistherapien fördern: Die Erforschung von Cannabis als Therapieoption muss durch staatliche Förderung aktiv unterstützt und vorangetrieben werden.
- Rechtssicherheit für medizinisches Cannabis schaffen: Es braucht keine separate “Cannabis-Rx-Arzneimittel”-Regulierung und keine Sicherungsanordnungsbefugnis für das BfArM.
- Bundeseinheitliche Regelungen zur Einstufung von Cannabis als Arzneimittel schaffen: Einheitliche Standards und Klassifikationen für medizinisches Cannabis müssen deutschlandweit etabliert werden.
- Lizenzverfahren für den Anbau in Deutschland ermöglichen: Die Möglichkeit, medizinisches Cannabis in Deutschland anzubauen, muss erweitert werden, um eine sichere und nachhaltige Versorgung zu gewährleisten.
Das gemeinsame Positionspapier der unterzeichnenden Fachverbände mit detaillierten Erläuterungen der genannten Forderungen finden Sie hier: Link. Die Fachverbände setzen sich mit Nachdruck für diese Reformen ein, um sicherzustellen, dass Cannabispatient:innen angemessen versorgt und diskriminierungsfrei behandelt werden.
Cannabis legal, Patient:innen egal? – Zehn gemeinsame Forderungen der Fachverbände gegen die Diskriminierung von Patient:innen im Cannabisgesetz (CanG) vom 27.09.2023
Einige Regelungen, die im Rahmen des Cannabisgesetzes (CanG) erlassen werden sollen, führen dazu, dass Patient:innen nachhaltig stigmatisiert werden. Eine fortgesetzte Prohibition, die im CanG und im darin enthaltenen Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG) durch Besitzbeschränkungen und Konsumverbote beibehalten wird, trägt aus Einschätzung der beteiligten Fachverbände zur anhaltenden Stigmatisierung von Patient:innen bei – einschließlich derer, die sich bisher selbst therapiert haben.
Die in den folgenden zehn Punkten beschriebene, anhaltende Stigmatisierung von Patient:innen im CanG ist äußerst problematisch mit weitreichend negativen Auswirkungen auf die Gesellschaft. Patient:innen werden bereits jetzt im Zuge polizeilicher Maßnahmen oft wie Kriminelle behandelt. Darum scheuen sich viele, ihre medizinischen Anliegen zu thematisieren, professionelle Hilfe zu suchen und in Anspruch zu nehmen. Diese Problematik findet sich auch auf Seite der Ärzteschaft. Ein Großteil der Ärzteschaft weigert sich, eine Cannabistherapie für ihre Patient:innen aufgrund bestehender Vorurteile und Stigmata sowie aufgrund zu strenger gesetzlicher Rahmenbedingungen zu initiieren oder zu unterstützen. Dies führt zu einem Mangel verordnender Ärzt:innen und einer Unterversorgung von Patient:innen und kann zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Patient:innen führen, da sie aus Angst vor sozialer Ächtung oder rechtlicher Verfolgung auf alternative, weniger sichere Behandlungsmethoden zurückgreifen.
Patient:innen sind darüber hinaus auch emotionaler und psychischer Belastung ausgesetzt. Gesellschaftlich aufgrund der Prohibition lange Zeit wegen abweichenden Verhaltens mit Nachteilen belegt, werden Patient:innen häufig ausgegrenzt und missverstanden, was ihr psychisches Wohlbefinden beeinträchtigen kann. Die Gesellschaft sollte darauf abzielen, Menschen, die medizinisches Cannabis benötigen, zu unterstützen, ihren medizinischen Zugang zu sichern und effektive Behandlungsmethoden zu ermöglichen, anstatt sie im Widerspruch zu einer gerechten und mitfühlenden Gesundheitsversorgung ethisch fragwürdig zu kriminalisieren und zu stigmatisieren. Der Gesetzgeber sollte den medizinischen Cannabisgebrauch in einer Form regulieren, die sicherstellt, dass Patient:innen qualitativ hochwertige Produkte erhalten und gleichzeitig die öffentliche Sicherheit gewährleistet ist.
Die Entstigmatisierung von medizinischem Cannabis ist herausfordernd. Es ist wichtig, sicherzustellen, dass Cannabisarzneimittel sicher und verantwortungsvoll verwendet werden. Regulierung, Schulung von medizinischem Fachpersonal, Patient:innenenaufklärung und die Förderung der Selbsthilfearbeit sind entscheidend, um die positiven Auswirkungen zu fördern und möglichen Missbrauch zu minimieren.
Es ist an der Zeit, dass Gesellschaft und Regierung einen evidenzbasierten und mitfühlenden Ansatz gegenüber Patient:innen verfolgen, die auf medizinisches Cannabis angewiesen sind. Es muss sichergestellt werden, dass sie eine angemessene und diskriminierungsfreie Behandlung erhalten.
Die Etablierung von medizinischem Cannabis ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer offeneren und gerechteren Gesundheitsversorgung. Sie ermöglicht es Menschen, von den potenziellen therapeutischen Vorteilen von Cannabis zu profitieren, ohne stigmatisiert oder kriminalisiert zu werden. Diese Entwicklung wird von wissenschaftlichen Erkenntnissen, sozialer Verantwortung und wirtschaftlichen Chancen begleitet. Es ist an der Zeit, Vorurteile abzubauen und medizinisches Cannabis als das zu betrachten, was es ist: Eine wirksame Behandlungsoption für viele Patient:innen.
Wir fordern daher verbandsübergreifend, die Therapie und den Alltag von Cannabispatient:innen im MedCanG zu berücksichtigen und realistisch umsetzbar zu gestalten statt Stigmatisierung befördernde Grundlagen zu erhalten und zu verschärfen. Aspekte, die hierfür berücksichtigt werden müssen, sind im Folgenden 10-Punkte-Plan aufgeführt.
1. Einnahme der Cannabismedikation für Cannabispatient:innen uneingeschränkt ermöglichen
Patient:innen werden durch § 24 MedCanG und den Verweis auf die Gültigkeit von § 5 Konsumcannabisgesetz (KCanG) für die inhalative Einnahme von medizinischem Cannabis mit Konsument:innen gleichgestellt. Der Gesetzgeber sieht vor, die Inhalation von Medizinalcannabis in der Öffentlichkeit massiv einzuschränken. Patient:innen, die beispielsweise an einer Schule arbeiten und ihr verschriebenes Rx-Arzneimittel inhalativ einnehmen, würde in diesem Fall die straffreie, unkomplizierte und rechtzeitige Einnahme ihrer Medizin verboten.
Der Gesetzestext sieht keine klare Trennung zwischen Konsument:innen und Patient:innen vor. Diese klare Trennung ist aber eine Voraussetzung für den Schutz von Cannabispatient:innen. Das Einnahmeverbot der verordneten Medizin ist nicht zumutbar. Die Möglichkeit zur ortsunabhängigen Einnahme einer ärztlich verordneten Medikation muss eine Selbstverständlichkeit sein. Restriktive Konsumverbote setzen nicht nur Konsument:innen der Gefahr von Willkür und Kontrolldruck aus, sondern auch Patient:innen. Dies kann nicht im Sinne des Gesetzgebers sein. Die fortwährende Stigmatisierung von Patient:innen darf durch derlei Vorschriften nicht noch verstärkt werden, da es sich um chronisch kranke Menschen handelt. Das strafbewehrte Einhalten von Mindestabständen, wie in § 24 vorgesehen, ist in der Realität schwer durchführbar und Patient:innen nicht zumutbar, daher fordern die beteiligten Fachverbände dessen Streichung. Sollte das Konsumverbot nach § 24 MedCanG beibehalten werden, fordern wir verbandsübergreifend, sich auf eine Formulierung wie “nicht in unmittelbarer Gegenwart von Kindern und Jugendlichen” zu beschränken und zwischen Patient:innen und Konsument:innen klar zu unterscheiden. Patient:innen, die auf die rechtzeitige Einnahme ihrer Medizin angewiesen sind, sollten ausgenommen und zu restriktive Einnahmeverbote überdacht werden.
Durch Änderungen des Bundesnichtraucherschutzgesetzes (Artikel 8 CanG) und der Arbeitsstättenverordnung (Artikel 10 CanG) werden verdampfte Cannabisprodukte/Cannabiserzeugnisse mit Tabak- und Nikotinprodukten gleichgesetzt, wodurch Cannabispatient:innen die Einnahme ihrer Medizin ebenfalls erschwert wird. Darum fordern die beteiligten Fachverbände, die Einnahme von Medizinalcannabis hiervon auszunehmen bzw. abzugrenzen.
2. Gleichbehandlung von Cannabispatient:innen im Straßenverkehr schaffen
Wir fordern im Straßenverkehr die Gleichbehandlung von Cannabispatient:innen mit Patient:innen, die andere fahreignungsrelevante Arzneimittel durch einen Arzt oder eine Ärztin erhalten. Gegenwärtig verlieren zahlreiche Cannabispatient:innen ihre Fahrerlaubnis, weil Mitarbeiter:innen von Fahrerlaubnisbehörden und Begutachtungsstellen (MPU-Stellen) die Teilnahme dieser Patient:innen am Straßenverkehr nicht tolerieren oder äußerst kritisch sehen, auch wenn kein Verstoß gegen das Straßenverkehrsgesetz und/oder die Fahrerlaubnisverordnung vorliegt. Der Verlust des Führerscheines ist häufig mit einem Arbeitsplatzverlust und sozialem Abstieg für den einzelnen Bürger und die einzelne Bürgerin sowie mit dem Verlust von Arbeitskräften, einer Reduzierung von Steuereinnahmen und einer zusätzlichen Belastung der Sozialsysteme durch die Zahlung von Lohnersatzleistungen für die Gesellschaft verbunden. Zwar dürfen Cannabispatient:innen nach Angaben der Bundesregierung am Straßenverkehr teilnehmen, sofern sie aufgrund der Medikation nicht in ihrer Fahrtüchtigkeit eingeschränkt sind und Cannabis nicht missbräuchlich verwendet wird (§ 24a Abs.2, Satz 3 StVG Bundestagsdrucksache 18/11701); in der Praxis wird dieses Recht jedoch eingeschränkt, beispielsweise weil Behörden und MPU-Stellen die Indikationsstellung des Arztes oder der Ärztin für eine Cannabistherapie in Frage stellen. Zur Änderung dieses unhaltbaren Zustandes ist keine gesetzgeberische Maßnahme erforderlich, sondern nur die Erläuterung und Durchsetzung der gegenwärtigen Rechtslage. Solche Erläuterungen gab es bereits in der Vergangenheit durch ein Merkblatt der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) vom November 20151 Merkblatt des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Drogen als Medikament – Hinweise für die Beurteilung der Fahreignung. November 2015 https://www.old.cannabis-med.org/nis/data/file/bundesverkehrsministerium_fuehrerschein_2015(1).pdf sowie Schreiben der Bundesopiumstelle vom 15.01.2011 und der BASt vom 15.01.20142 Bundesanstalt für Straßenwesen. Stellungnahme zur Thematik ‘Fahreignung bei medizinischer Verwendung cannabinoidhaltiger Medikamente’ vom 15.01.2014. https://old.cannabis-med.org/german/fuehrerschein_bast_2014 .
Es bedarf klarer Ausführungsbestimmungen und Begutachtungsleitlinien durch die Bundesregierung im CanG. Dabei kann sich diese an bestehenden Texten orientieren, wie etwa den Vorschlägen der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie (DGVP) und der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin (DGVM) vom August 20183 Fahreignungsbegutachtung bei Cannabismedikation –Handlungsempfehlung der Ständigen Arbeitsgruppe Beurteilungskriterien https://www.dgvp-verkehrspsychologie.de/wp-content/uploads/2018/08/Handlungsempfehlung-_Cannabismedikation_v2_Stand-15.08.2018.pdf . Dies ist ein lange überfälliger Schritt, der einfach realisiert werden kann.
3. Genehmigungsvorbehalt schadet Patient:innen
Die Erstattung von Medizinalcannabis steht gem. § 31 Abs. 6 Satz 2 SGB V unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die gesetzlichen Krankenkassen. Dies ist mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand verbunden. Die Entscheidungskriterien, die zur Zustimmung oder Ablehnung eines Genehmigungsantrags führen, wie z. B. die Definition des Begriffs „schwerwiegende Erkrankung“ und die Frage, ob Patient:innen bereits austherapiert sind, bleiben auch nach Abschluss des G-BA-Stellungnahmeverfahrens zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinie “Cannabisarzneimittel” unklar definiert und damit anfällig für intransparente und willkürliche Entscheidungen. Dies führt zu vielfältigen Unsicherheiten, behindert den Zugang zu medizinischem Cannabis und sorgt durch Einspruchs- und Gerichtsverfahren für zusätzlichen bürokratischen Mehraufwand. Gleichermaßen werden diese Unsicherheiten durch die im G-BA-Beschluss4 Beschluss des G-BA über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie: § 4a und Abschnitt N §§ 44 bis 46 (Cannabisarzneimittel). Beschlussdatum: 16.03.2023. Inkrafttreten: 30.06.2023 https://www.g-ba.de/beschluesse/5915/ implizit formulierte Nachrangigkeit der Verordnung bzw. Erstattungsfähigkeit von getrockneten Cannabisblüten zur inhalativen Anwendung verstärkt.
Bereits heute beklagen viele Ärzt:innen den hohen bürokratischen Aufwand des Antragsverfahrens und entscheiden sich oftmals gegen die Unterstützung solcher Anträge.
Die gegenwärtige (zu) hohe Ablehnungsquote der Erstattungsanträge durch die gesetzlichen Krankenkassen führt dazu, dass viele, oft chronisch kranke Patient:innen ihre Cannabistherapie dauerhaft selbst finanzieren müssen und/oder aus unsicheren, illegalen Quellen zu besorgen und sich selbst therapieren müssen. Eine Cannabistherapie sollte aber – wie jede andere Therapie auch – stets unter Anleitung von medizinischem und pharmazeutischem Fachpersonal erfolgen.
Zur Abschaffung dieser Hürden schlagen die unterzeichnenden Fachverbände vor, den § 3 MedCanG zu nutzen, um den Genehmigungsvorbehalt bei gleichzeitigem Regressschutz für die Ärzt:innen vollständig zu streichen. Als Alternative zur vollständigen Streichung wird eine antragsfreie Testphase für Cannabistherapien für einen zeitlich definierten Behandlungsrahmen (z.B. von 3 Monaten), auch für den Fall, dass individuell keine eindeutige Studienlage vorliegt, vorgeschlagen.
Eine weitere Möglichkeit der Vereinfachung des Antragsverfahrens auf Kostenübernahme wäre die Festlegung weiterer Standards durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Dies wurde bereits im Zuge der Überarbeitung des Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetzes (ALBVVG) initiiert. Hierbei wurde der G-BA beauftragt, einzelne Facharztgruppen und erforderliche ärztliche Qualifikationen festzulegen, bei denen der Genehmigungsvorbehalt nach §31 Absatz 6 Satz 2 SGB V entfällt. Ergänzend hierzu wird vorgeschlagen, den G-BA aufzufordern, weitere Parameter zu definieren, bei deren Eintreten der Genehmigungsvorbehalt entfällt, ohne dass die Erkrankung als ‘schwerwiegend’ eingestuft sein muss. Ein möglicher Vorschlag hierfür ist die Festlegung ärztlich diagnostizierter Indikationen, bei denen die Wirksamkeit und Sicherheit cannabisbasierter Arzneimittel bereits umfangreich nachgewiesen wurde. Dabei muss sichergestellt werden, dass diese Kriterien auch unabhängig voneinander Anwendung finden und nicht nur in Kombination zum Wegfall des Genehmigungsvorbehalts führen.
4. Therapiehoheit der Ärzteschaft wahren
Die Bewahrung und Wiederherstellung der Therapiehoheit der Ärzteschaft im Kontext der Cannabistherapie in Deutschland gewinnt vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Entwicklungen bezüglich der Freizeitnutzung von Cannabis eine herausragende Bedeutung. Die Ärzteschaft muss über die Befugnis und Autorität verfügen, das am besten geeignete cannabisbasierte Arzneimittel für ihre Patient:innen auszuwählen.
Jede:r Patient:in reagiert individuell und unterschiedlich auf Cannabis als Arzneimittel, und es gibt eine Vielzahl von Produkten mit verschiedenen Cannabinoidzusammensetzungen und Anwendungsmöglichkeiten. Die Expertise der Ärzteschaft ist dabei entscheidend um sicherzustellen, dass die Therapie den individuellen Bedürfnissen und Symptomen aller Patient:innen gerecht wird. Daher darf es weder eine Vorabfestlegung oder Nachrangigkeit der zur Anwendung kommenden Cannabisarzneimittel, noch eine Einschränkung der Verordnungsbefugnis auf einzelne Facharztgruppen geben.
Wir fordern daher verbandsübergreifend nachdrücklich dazu auf, die Therapiehoheit der Ärzteschaft im Bereich der Cannabistherapie bei Erarbeitung des § 3 MedCanG zu wahren und nicht gesetzlich einzuschränken. Angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Freizeitnutzung von Cannabis ist es von entscheidender Bedeutung, Ärzt:innen die Befugnis zu geben, das am besten geeignete cannabisbasierte Arzneimittel für ihre Patient:innen auszuwählen. Jede:r Patient:in ist einzigartig, und die Expertise der Ärzteschaft ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass die Cannabistherapie den individuellen Bedürfnissen und Symptomen gerecht wird. Dies wird sicherstellen, dass Patient:innen die bestmögliche medizinische Versorgung erhalten und gleichzeitig die Sicherheit und die Qualität der Cannabistherapie gewährleistet sind.
5. Unnötige Strafvorschriften für medizinisches Cannabis streichen
Die an § 29 Abs. 1 Nr. 9 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) angelehnte Strafvorschrift für unvollständige Angaben zum Erlangen einer Verschreibung sollte gestrichen werden. Sie widerspricht der geplanten Herausnahme von Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz und steht in klarem Widerspruch zu der geplanten Definition des zukünftigen Status. Anders als das Betäubungsmittelrecht kennt das Arzneimittelrecht keine vergleichbare Vorschrift, nach welcher das Erschleichen einer Arzneimittelverschreibung selbst inkriminiert wäre. Soll Medizinalcannabis nunmehr wie auch andere verschreibungspflichtige Arzneimittel behandelt werden, so verbietet sich ein solch systemfremder Sonderstraftatbestand.
Es besteht ausreichender Schutz vor der unkontrollierten Abgabe von Medizinalcannabis, indem § 25 Abs.1 Nr. 2 MedCanG die Abgabe ohne ärztliche Verschreibung unter Strafe stellt. Gleiches gilt für die bestehende Strafvorschrift aus dem Arzneimittelrecht, wonach ebenso eine Abgabe unter Verstoß gegen die Verschreibungspflicht strafbewehrt ist (§ 96 Nr. 13 Arzneimittelgesetz (AMG).
Auch aus anderen Gründen ergibt sich kein weiteres Strafbedürfnis. Dient das Erschleichen einer Verschreibung dem Zweck der späteren unerlaubten Abgabe oder dem unerlaubten Handel mit Medizinalcannabis, so sind diese nachgelagerten Verhaltensweisen sowohl gem. § 25 Abs.1 Nr. 3 MedCanG als auch gem. § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG separat strafbewehrt. Sozialrechtlichen Erwägungen ist daher ohne neue gesetzliche Vorgaben ausreichend Rechnung getragen, da ein Erschleichen einer Verschreibung zu Lasten eines Kostenträgers als Betrugsstraftat verfolgt wird.
Es gibt nach der Herausnahme aus dem BtMG keinen Grund, bestehende widersprüchliche Passagen beizubehalten, die das MedCanG in ein Betäubungsmittelgesetz 2.0 verwandeln und Medizinalcannabispatient:innen weiterhin unter den Generalverdacht der Rezepterschleichung für ein Betäubungsmittel stellen.
Strafvorschriften in Fortführung des Betäubungsmittelgesetzes lehnen die an dieser Erklärung beteiligten Fachverbände daher ab und fordern die ersatzlose Streichung der Strafvorschrift für unvollständige Angaben zum Erlangen einer Verschreibung in § 25 Abs. 1 Nr. 1 MedCanG.
6. Gleichbehandlung von Fertigarzneimitteln und Rezepturarzneimitteln wiederherstellen
In der überarbeiteten Arzneimittel-Richtlinie “Cannabisarzneimittel” wird ein hierarchisches Verhältnis zwischen Cannabis in Form von Rezepturarzneimitteln und cannabisbasierten Fertigarzneimitteln eingeführt, obwohl dies nicht vom Gesetzestext unterstützt wird. Dies steht im Widerspruch zu der gesetzlichen Anforderung, dass die Entscheidung über die Leistungserbringung im Einzelfall auf der ärztlichen Einschätzung beruhen soll (wie in § 31 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 lit. b SGB V festgelegt). Eine individuelle Fallbewertung ist erforderlich, und eine Vorabfestlegung durch die Arzneimittel-Richtlinie sollte vermieden werden. In der Praxis zeigen Cannabisextrakte und -blüten bei vielen medizinischen Anwendungen sogar eine deutlich bessere Wirksamkeit und Verträglichkeit als die wenigen, für einzelne Indikationen zugelassenen Fertigarzneimittel und sind bereits als Therapieoptionen in Deutschland etabliert5 Abschlussbericht der Begleiterhebung https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Bundesopiumstelle/Cannabis/Abschlussbericht_Begleiterhebung.html abgerufen am 11.09.2023 . Selbst in Bezug auf Qualitätsaspekte gibt es keine ausreichende Begründung für das behauptete hierarchische Verhältnis, da der Gesetzestext ohnehin nur eine Versorgung mit Blüten und Extrakten in standardisierter Qualität zulässt.
Unter Berücksichtigung der genannten Aspekte – Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität – fordern die unterzeichnenden Fachverbände, dass cannabisbasierte Fertigarzneimittel im Off-Label-Use nicht vorrangig gegenüber Cannabisblüten und -extrakten verordnet werden müssen. Die Entscheidung über die geeignete Form von medizinischem Cannabis sollte auf der Grundlage der individuellen Bedürfnisse der Patient:innen in Übereinstimmung mit der Therapiehoheit des behandelnden Arztes oder der behandelnden Ärztin getroffen werden.
Daher fordern die unterzeichnenden Fachverbände, dass § 3 des Medizinal-Cannabisgesetzes (MedCanG) im Einklang mit der Therapiehoheit und Verantwortung der Ärzteschaft überarbeitet wird, um die Gleichrangigkeit von Cannabisarzneimitteln, wie sie in § 31 SGB V festgelegt ist, wiederherzustellen.
7. Forschungsvorhaben für Cannabistherapien fördern
Der therapeutische Nutzen cannabisbasierter Arzneimittel für Patient:innen ist bei einer Vielzahl von Indikationen unbestritten. Dennoch bedarf es weiterer Forschung, um das Potenzial der Behandlung wissenschaftlich zu untermauern. Vorhandene Ergebnisse wie z. B. aus der auf Daten von GKV-Versicherten basierenden BfArM-Begleiterhebung sind nicht ausreichend, wie die Verantwortlichen im Abschlussbericht5 selbst bestätigen. Stattdessen können vorhandene Ergebnisse sogar in die Irre führen, da sie durch einen erheblichen Selektionsbias und zahlreiche weitere methodische Schwächen verzerren. Zudem werden ganze Patient:innengruppen und Krankheitsbilder aufgrund von Vermutungen stigmatisiert. Klinische Forschung im Bereich Medizinalcannabis muss dringend durch bessere Rahmenbedingungen und staatliche Forschungsgelder gefördert werden, um bestehende Wissenslücken zu schließen. Dies gilt ebenso für die Generierung von evidenzbasierten Daten im Rahmen der Forschung an universitären Einrichtungen, die zu mehr Aufklärung beitragen werden.
Um hier der Sondersituation im Umgang mit medizinischem Cannabis im deutschen Gesundheitswesen gerecht zu werden, können internationale Best-Practice-Beispiele als Vorbild für die erleichterte Entwicklung und Zulassung von standardisierten pharmazeutischen Cannabisprodukten dienen. Im Sinne einer patient:innenorientierten Gesundheitsversorgung können eine staatlich geförderte Forschungsoffensive und ein erleichterter Zugang zu Daten für die Versorgungsforschung die Ergebnisse der BfArM-Begleiterhebung sinnvoll ergänzen.
Die geplante Streichung von Medizinalcannabis aus dem BtMG bildet hierbei eine wichtige Basis für eine vereinfachte und verstärkte Forschungsförderung.
Wir fordern deshalb die Einrichtung eines medizinischen Cannabisregisters, ähnlich dem britischen Register für medizinisches Cannabis, und die staatliche Finanzierung des Aufbaus und der Arbeit eines Teams von Wissenschaftler:innen oder einer Professur, die klinische Forschung zum medizinischen Potenzial von Cannabis und Cannabinoiden durchführen. Das Register soll alle Patient:innen erfassen, die cannabisbasierte Medikamente in Deutschland erhalten. Das UK Medical Cannabis Registry ist ein umfassendes, prospektives Register, das die Ergebnisse der Verschreibung von medizinischem Cannabis erfasst6 UK Medical Cannabis Registry https://ukmedicalcannabisregistry.com/. Ziel des Registers ist es, das Verständnis von medizinischem Cannabis in Großbritannien zu erweitern, indem klinische Daten von Wissenschaftler:innen gesammelt und analysiert werden. Diese Forschungsgruppe arbeitet mit akademischen und industriellen Partnern zusammen. Das Register stellt sicher, dass die Verordnung von medizinischem Cannabis auf verantwortungsvolle und umfassende Weise evaluiert wird. Dadurch werden wichtige Daten, einschließlich der verordneten Medikamente, unerwünschte Ereignisse und die von den Patient:innen gemeldeten Behandlungsergebnisse erfasst. Es wird sichergestellt, dass die gewonnenen Erkenntnisse unmittelbar in klinische und therapeutische Entscheidungen einfließen können, um so fundierte Leitlinien für Therapien formulieren zu können. Auf dieser Basis können dann auch politische Diskussionen geführt und Entscheidungen getroffen werden. Viele der Ergebnisse wurden bereits in verschiedenen Fachzeitschriften publiziert, darunter Beobachtungsstudien zur Verbesserung der Lebensqualität durch eine Cannabistherapie sowie zur Wirksamkeit bei entzündlichen Darmerkrankungen, bei Depressionen, bei Kindern mit Epilepsie, bei Fibromyalgie, bei generalisierter Angststörung, bei Autismus-Spektrum-Störungen, bei posttraumatischer Belastungsstörung und beim Schlaf von Patient:innen mit chronischen Schmerzen.
Um dem Ziel des Gesetzes gemäß Begründung zu Art. 2, S. 138 CanG gerecht zu werden und die evidenzbasierte Forschung zu Cannabis als Medizin nachhaltig zu stärken, fordern die unterzeichnenden Fachverbände die Aufnahme konkreter unterstützender Forschungsmaßnahmen ins MedCanG:
- Einrichtung eines nationalen, unabhängigen medizinischen Registers als systematische Datenerhebung, analog zu den Vorgaben des Registergutachtens des BMG aus 2021, den Vorgaben des IQWIG Reports A19-43 und der „Guideline for registry-based studies“ der EMA
- Alle mit medizinischem Cannabis behandelten Patient:innen in Deutschland, unabhängig von den zugrunde liegenden Indikationen oder bestehender Kostenübernahme, sollen anonymisiert in das Register eingeschlossen werden
- Etablierung einer nationalen und staatlich geförderten Forschungsgruppe in internationaler Kooperation mit bestehenden Fachgesellschaften und Forschungsgruppen7 Verbändeübergreifendes Papier. Handlungsempfehlungen für eine Novellierung des Cannabis-als-Medizin-Gesetzes vom 24.05.2023.https://cannabiswirtschaft.de/wp-content/uploads/2023/05/Verbaendepapier-Handlungsempfehlungen-Medizinalcannabis-17.05.2023.pdf
8. Rechtssicherheit für medizinisches Cannabis schaffen
Wir begrüßen die geplante Herausnahme von Medizinalcannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz, die mit zahlreichen Erleichterungen für die Verschreibung des Arzneimittels für Ärzte- und Patientenschaft sowie für Hersteller einhergeht. Medizinisches Cannabis wird demnach künftig unter die Regulierung des Arzneimittelrechts fallen. Sonderregelungen für Cannabisarzneimittel sind lediglich dann einzuführen, wenn der internationale und europäische Außenhandel betroffen sind und die Notwendigkeit nationaler Kontrolle besteht. Ansonsten sprechen wir uns verbandsübergreifend für eine konsequente Anwendung des Arzneimittelrechts aus. Eine separate “Cannabis-Rx-Arzneimittel”-Regulierung im Vergleich zur Regulierung als herkömmliches Rx-Arzneimittel führt zu rechtlichen Unsicherheiten und unnötiger bürokratischer Komplexität. Eine Übernahme der Bestimmungen zu medizinischem Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) ins MedCanG, die lediglich den Binnenhandel betreffen, sind demnach nicht notwendig. Obwohl es wichtig ist, die Kontinuität im rechtlichen Rahmen und bewährte Praktiken für medizinisches Cannabis aufrechtzuerhalten, sollte das MedCanG genutzt werden, um bürokratische Erleichterungen im Umgang mit Cannabis umzusetzen.
Wir begrüßen demnach die Entscheidung, in der Neuregelung des MedCanG nicht länger auf die Sicherungsrichtlinie für Betäubungsmittel zurückzugreifen. Kritisch sehen wir jedoch die in § 21 MedCanG enthaltene Befugnis zur Sicherungsanordnung für das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Es besteht keine Notwendigkeit für diese Anordnungsbefugnis, weil die einschlägigen arzneimittelrechtlichen Bestimmungen sowohl für Hersteller als auch für Händler entsprechende Vorschriften bereits vorsehen und von den zuständigen Landesbehörden im Rahmen von Inspektionen überwacht werden.
Daher fordern wir, den § 21 Abs. 2 des MedCanG ersatzlos zu streichen.
9. Bundeseinheitliche Regelungen zur Einstufung von Cannabis als Arzneimittel schaffen
Die bisherigen Verwaltungspraktiken der beteiligten Aufsichtsbehörden der Bundesländer zeigen einen uneinheitlichen Umgang mit medizinischen Cannabisprodukten. Dies führt zu großer Unsicherheit bei der Apothekerschaft und den Cannabis herstellenden und vertreibenden Unternehmen. Um ausreichend Sicherheit und Einheitlichkeit zu schaffen, sind die geltenden Regelungen und Guidelines bezüglich Anbau und Ernte von Cannabis “Good Agricultural and Collecting Practices (GACP)” und Verarbeitung und Herstellung von Cannabisprodukten “Good Manufacturing Practices (GMP)” sowohl seitens der Oberbehörden als auch durch die Landesaufsichtsbehörden bundesweit einheitlich umzusetzen. Zudem sind die Anforderungen der örtlichen Behörden an die (ausländischen) Hersteller häufig unterschiedlich. Auch hier sollten deutschlandweit einheitliche Anforderungen gelten und umgesetzt werden. Dies betrifft die einheitliche Auslegung der Kriterien zur Einstufung der GMP-Anforderungen und auch spezifische Anforderungen an die zu erwartende Produktqualität, insbesondere Kennzahlen zur mikrobiellen Belastung von Cannabis-Zubereitungen. Diese müssen mindestens die Kategorie B der Ph. Eur 5.1.8 erfüllen8 Qualitätsanforderungen an Cannabisblüten und Qualifizierung von Lieferanten für die Abgabe von Cannabis in Apotheken. Veit, Markus. April 2023. VCA Webinar / Alphatopics. S. 68 https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fcimb.2022.1051272/full .
Die unterzeichnenden Fachverbände fordern deshalb eine bundesweit einheitliche Klassifizierung von Cannabis als Wirkstoff oder Ausgangsstoff zur Weiterverarbeitung in der Apotheke zu cannabisbasierten Rezeptur- oder Defekturarzneimittteln von medizinischen Cannabisprodukten. Die Fachverbände fordern einheitliche Regeln für medizinisches Cannabis vom Anbau (GACP) über die Weiterverarbeitung (GMP) bis hin zur Abgabe in den Apotheken (ApBetrO9 Qualitätsanforderungen an Cannabisblüten und Qualifizierung von Lieferanten für die Abgabe von Cannabis in Apotheken. Veit, Markus. April 2023. VCA Webinar / Alphatopics. S. 18, 22, 31 https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fcimb.2022.1051272/full). Grundsätzlich gibt es für pharmazeutische Produkte auf Basis pflanzlicher Wirkstoffe bereits bestehende und gültige pharmazeutische Regelwerke (z. B. Deutsches Arzneibuch, DAB; Europäisches Arzneibuch, Ph. Eur.), die einheitlich umgesetzt und überwacht werden müssen.
10. Lizenzverfahren für den Anbau in Deutschland sichern
Durch die Möglichkeit zur Selbstversorgung durch Anbauvereinigungen und Eigenanbau (sog. “Säule 1”) und die angekündigte Schaffung eines Marktes für Genussmittelcannabis im Rahmen von Modellregionen (sog. “Säule 2”) darf die Versorgung von Patient:innen mit Cannabisarzneimitteln nicht eingeschränkt oder gefährdet werden. Um dies zu gewährleisten, muss der Gesetzgeber den Zugang zu Medizinalcannabis entbürokratisieren und die aktuellen Zugangshürden für Patient:innen abbauen.
Nach Ausschreibung des Bundes werden derzeit lediglich 2,6 Tonnen medizinische Cannabisblüten pro Jahr in Deutschland angebaut und abgenommen10 BfArM. BfArM startet Verkauf von Cannabis zu medizinischen Zwecken an Apotheken, Pressemitteilung 6/21 vom 07.07.2021: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/pm6-2021.html . Zusätzlich sind nach Deutschland im Jahr 2022 ca. 18,6 Tonnen Cannabis importiert worden11BfArM. Häufig gestellte Fragen (FAQ): Wieviel Cannabis wird derzeit zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken importiert? https://www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/_FAQ/Cannabis/faq-liste.html . Um den Markt in Deutschland auch zukünftig bedarfsgerecht decken zu können, müssen für den nationalen Anbau und für Importe von Medizinalcannabis vergleichbare Rahmenbedingungen gelten. Hierbei sollte auf einen zentralen Ankauf, Mengenbeschränkungen und eine zentrale Distribution der Produktionsmengen von Medizinalcannabis durch eine staatliche Stelle verzichtet werden.
Die aktuellen Verträge für den innerdeutschen Anbau laufen 2025/2026 aus – ein guter Zeitpunkt, um rechtzeitig das Ausschreibungsverfahren der Cannabisagentur auf den Prüfstand zu stellen. Die unterzeichnenden Fachverbände empfehlen die Umstellung auf ein Lizenzvergabe-Verfahren. Hierfür braucht es eine entsprechende Anlaufzeit und Planungssicherheit sowohl auf Behörden- als auch auf Wirtschaftsseite, u. a. für den Bau neuer Anlagen. Die entsprechende Regelung aus der Kabinettsvorlage (MedCanG) § 17 Abs. 2 (“Vergaberecht”) müsste dazu gestrichen bzw. geändert werden.
Unsere Forderungen zur Sicherung der Versorgung mit medizinischem Cannabis:
- Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung mit qualitätsgesichertem medizinischem Cannabis durch nationalen Anbau und Importe
- Förderung verlässlicher und wettbewerbsfähiger Anbau- und Importstrukturen von medizinischem Cannabis sowie bundeseinheitlicher Standards
- Erhöhung und Sicherung der innerdeutschen Anbaukapazitäten durch die Schaffung eines Lizenzverfahrens für Anbau und Distribution
- Sicherung des Imports von Medizinalcannabis durch die Genehmigung weiterer Bezugsquellen für medizinisches Cannabis im Ausland nach bundeseinheitlichen GACP- und GMP-Vorgaben
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