Gesundheitsrisiken durch Cannabis?

In der letzten Zeit häufen sich wieder die Berichte in den Medien, wonach der Konsum von Cannabis weitaus gefährlicher sein soll, als allgemein angenommen. Es wird auf stark gestiegene Wirkstoffkonzentrationen verwiesen, die Cannabis zu einer gefährlichen und Suchterregenden Droge machen würden. Auch in Gerichtssälen spiegelt sich diese Haltung wider, insbesondere bei den Plädoyers so mancher Staatsanwälte. Dabei liegen bereits viele wissenschaftliche Studien vor, die sich intensiv mit der Gefährlichkeit von Cannabis beschäftigt haben. Nicole Krumdiek hat sich im Rahmen ihrer Doktorarbeit die Mühe gemacht, die zahlreichen Studien zu sammeln, zu analysieren und zu vergleichen, und ist dabei auf interessante Ergebnisse gestoßen…

Wie gefährlich ist Cannabis?

Eine wissenschaftliche Analyse aus aktuellen Studien zu Cannabis sativa L.

Cannabis sativa L. und das Aufleben alter Vorurteile

Immer wieder hört man in jüngster Vergangenheit in den Gerichtssälen Ausführungen wie: „…von Ungefährlichkeit kann keine Rede sein…“; „…hieraus folgen schwerwiegende Psychosen der Konsumenten…“; „…hinsichtlich des hohen und stetig steigenden Wirkstoffgehaltes ist nicht mehr von einer weichen Droge zu sprechen…“.Diese Worte stammen so oder so ähnlich allesamt aus dem Inhalt kürzlich gehaltener staatsanwaltlicher Plädoyers in BtM- Verfahren. Die Rede ist von der Substanz Cannabis sativa L. (1) Dies ist hinsichtlich jüngst veröffentlichter Artikel (2) in Fachzeitschriften zum Thema Cannabis dann auch nicht weiterhin verwunderlich. Denn auch hier wird von „schwerstabhängigen Cannabiskonsumenten“, „hochprozentigen Cannabisblüten- proben“, „der Möglichkeit an einer nicht toxischen Schizophrenie, Depressionen oder Angststörungen zu erkranken“, „einer Rückkehr von THC aus dem Fettgewebe in den Kreislauf“, „Entzugssymptomen“, „neurokognitive Beeinträchtigungen“, „psychische und psychosoziale Beeinträchtigungen“ sowie „körperlichen Beeinträchtigungen“ und damit von Horrorszenarien als typische Folge des Cannabiskonsums berichtet. Geschlussfolgert wird dann in der Regel mit Ausführungen wie: „…vor einer immer wieder diskutierten Legalisierung des Cannabis kann daher nur gewarnt werden“ (3) oder „Zugleich gibt die stetige Steigerung der Qualität von Haschisch und Marihuana Anlass, auf die bedenkliche Einstellungspraxis mancher Bundesländer beim Umgang mit geringen Cannabismengen zum Eigenkonsum gem. § 31 a BtMG hinzuweisen…“ (4). Unterstützt wird diese Darstellung von vermeintlich seriöser Berichterstattung auf öffentlich-rechtlichen Sendern (5), die, das soll an dieser Stelle nicht abgestritten werden, zwar medienwirksam, im Rahmen des allgemeinen Aufklärungs-bedürfnisses (6), allerdings wenig hilfreich ist.

Dem „Nachwuchs“ innerhalb der Staatsanwaltschaften ist demnach schwerlich ein Vorwurf zu machen. Denn nicht eine mangelnde Informationsbeschaffung scheint hier das Problem zu sein, sondern vielmehr die schlichte Fehlinformation. Solange allerdings ein verständiger Richter mit der Verantwortung der Verhandlungsleitung befasst ist, mögen sich diese Fehlinformationen nicht auf das Strafmaß auswirken. Anders sieht dies aber schon dann aus, wenn Schöffen an der Verhandlung beteiligt sind, die gerade nicht mit dem gleichen Erfahrungssatz und Kenntnisstand des Richters aufwarten können und somit die Aussagen der Staatsanwälte häufig als gegeben unterstellen. Gegenteilige Ausführungen der Verteidigung werden lediglich als „Strategie“ zur Erreichung eines geringeren Strafmaßes begriffen, ohne auch nur die eventuelle Richtigkeit in Betracht zu ziehen. Jedoch ist auch den Schöffen insoweit kein Vorwurf zu machen, als auch Sie die Realität verzerrenden Berichte aus den allgemeinen Medien (7) als Kenntnisquelle zugrundelegen. Dieser Beitrag soll deshalb den Versuch darstellen, der fortschreitenden und instrumentalisierenden Streuung von einseitiger und dementsprechend irreführender Informationsverbreitung entgegenzuwirken.

Hierfür soll im Folgenden ein Überblick über den nationalen und internationalen Forschungsstand hinsichtlich der physischen, psychischen und sozialen Auswirkungen eines Cannabiskonsums gegeben werden. Um einen Einblick in die Einheitlichkeit und vor allem Vielzähligkeit der Studien zu vermitteln, werden in den Fußnoten entsprechend ausführlich die Quellen angegeben, wobei aber auch diese nur stellvertretend für unzählige weitere vergleichbare Forschungsergebnisse stehen.(9) Insbesondere soll dabei auch das in letzter Zeit vielangeführte Argument der vermeintlich steigenden Wirkstoff- und damit THC-Gehalte in Cannabisprodukten und die hiermit in Verbindung gebrachte erhöhte Gefährlichkeit richtig gestellt werden.

I. Gefährdungspotential des Cannabiskonsums

Nach dem neuesten Stand der Wissenschaft (9) birgt weder der moderate noch der Dauerkonsum von Cannabisprodukten beträchtliche physische oder psychische Gefahren und Risiken (10) oder sonstige negativen sozialen Auswirkungen. Bei der näheren Darstellung ist allerdings zwischen den akuten und chronischen Auswirkungen zu unterscheiden.

1. Akute Auswirkungen des Cannabiskonsums

Als akute Effekte des Cannabiskonsums können grundsätzlich die physischen und psychischen Reaktionen genannt werden, die im Verlaufe eines Cannabisrausches auftreten (11) und die entsprechend von der Umgebung (setting) und der vorausgehenden emotionalen Stimmung (set) abhängig sind. (12) Mit Abklingen des Rausches (13), klingen in der Regel auch die hierbei auftretenden akuten Empfindungen ab. Das Eintreten von Angst- und Panikreaktionen (sog. Bad Trips) sind dabei zwar wegen der Intensivierung bestehender Emotionen möglich. Solche und ähnliche Folgen müssen jedoch zu den seltenen und atypischen Rauschverläufen gezählt werden und kommen, wenn überhaupt, fast ausschließ- lich nur bei unerfahrenen Konsumenten vor und sind in der Regel auf einer akuten Überdosierung innerhalb der oralen Aufnahme beschränkt. (14) Gewöhnlich beruhigen sich solche Personen nach ermutigendem Zureden, so dass eine medizinische Behandlung nicht notwenig wird. Sofern dies in seltenen Fällen nicht der Fall ist, sprechen diese Patienten meist gut auf eine psychotherapeutische Behandlung an, so dass der akute Zustand nach kurzer Zeit behoben werden kann. (15) Wissenschaftlich evidente Beweise, dass ein akuter Cannabisrausch auch eine chronische organische Psychose auslösen kann, liegen nicht vor. (16) Darüber hinausgehend lässt sich zu den akuten Wirkungen zusammengefasst sagen, dass eine tödliche Dosis Cannabis bisher nicht bekannt ist (17), so dass in Anbetracht einer 4000 Jahre alten Cannabishistorie zum Teil vertreten wird, dass eine Solche gar nicht existiere. (18) Weiterhin ist hier anzuführen, dass ein akuter Cannabisrausch die Aggressivität vermindert, was unter anderem mit der Senkung des Testosteronspiegels in Verbindung gebracht wurde, welcher sich binnen 24 Stunden jedoch wieder reguliert. (19) Aussagekräftiges Beispiel hierfür war wohl die Fußball- EM 2000 in den Niederlanden-Belgien, bei welcher die Polizei deutlich weniger Ausschreitungen vermerkte, als bei vergleichbaren Veranstaltungen zuvor.

Jedoch ist davon auszugehen, dass während der akuten Wirkung die Fahrtüchtigkeit herabgesetzt wird. Einzelheiten sind hierbei zwar noch unklar, feststeht aber bereits jetzt, dass von cannabisberauschten Fahrern im Straßenverkehr signifikant weniger Gefahren ausgehen, als von alkoholisierten Fahrern. (20) Als Begründung hierfür kann unter anderem angeführt werden, dass der Konsum von Alkohol eher zu einer Überschätzung, der Gebrauch von Cannabis grundsätzlich zu einer Unterschätzung (21) der eigenen Leistungsfähigkeit führt. So ergaben Studien hierzu, dass Cannabiskonsumenten ihre Fahrtüchtigkeit nach einem Cannabiskonsum häufig als noch nicht wiederhergestellt einschätzten, obwohl die entsprechenden Tests eine solche Beeinträchtigung gerade nicht mehr verzeichnen konnten. (22) Dennoch ist natürlich zu vermeiden, dass Konsumenten unter akutem Cannabiseinfluss Fahrzeuge jeglicher Art führen. Das gilt neben Cannabis aber wohl auch für alle legalen bzw. illegalen berauschenden Substanzen. Darüber hinausgehend wird während eines akuten Cannabisrausches die Pulsfrequenz erhöht, wodurch es für Herz- Kreislauf- patienten zu entsprechenden Problemen kommen kann. (23) Jedoch ist der Konsum von Cannabis nicht mit der Entwicklung von Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall assoziiert. (24) Obwohl die akute Wirkung des wie auch immer gearteten Cannabiskonsums folglich sowohl kalkulierbare als auch hinnehmbare Risiken birgt, ist Herz-Kreislauf-Patienten sowie aktiven Verkehrsteilnehmern von einem Gebrauch abzuraten, was aber nicht nur für Cannabis, sondern jegliche Droge – insbesondere den sog. „Alltagsdrogen“ Nikotin und Alkohol- gilt.

2. Chronische (25) Auswirkungen des Cannabiskonsums

Im Gegensatz zur akuten Wirkung spricht man von chronischen Effekten, wenn nach Gebrauch einer Substanz auch dann Veränderungen im Körper verbleiben, wenn die psychotrop wirkende Substanz nicht mehr im Organismus vorhanden ist. (26) Hierbei können signifikante Veränderungen mitunter auch erst nach Jahren regelmäßigen Gebrauchs auftreten. Die Untersuchungen hinsichtlich dieser Auswirkungen gestalten sich als schwierig, da in einem solch langen Zeitraum viele verschiedene Einflüsse auf die Probanden einwirken, die das Ergebnis in die eine oder andere Richtung beeinflussen können. (27) Trotz dieser Bedenken soll im Folgenden dargestellt werden, wie sich der wissenschaftliche Forschungs-stand diesbezüglich darstellt. Zu differenzieren ist hierbei zwischen physischen, psychischen und sozialen Folgen. Die Frage nach einer potentiellen körperlichen oder seelischen Abhängigkeit und der aktuelle Kenntnisstand hinsichtlich der durchschnittlichen Wirkstoffgehalte sowie die jeweiligen möglichen Konsequenzen wird dabei gesondert erörtert.

a. Physische Langzeiteffekte

In chronischer Hinsicht sind als nennenswerte potentielle körperliche Auswirkungen „ausschließlich“ Beeinträchtigungen des Lungen-Bronchialsystems anzuführen, die mit den Schädigungen beim Tabakrauchen vergleichbar sind. (28) Hierzu zählen chronische und akute Bronchitis, Heiserkeit, Entzündungen und Veränderungen von Nasen-, Rachen- und anderen Schleimhäuten, Verengungen, Störungen und unspezifische Hyperaktivitäten der Atemwege, Abnormalitäten in der Bronchialwand sowie Lungenkrebs. (29) Grund hierfür ist in erster Linie die Tatsache, dass Cannabis häufig in Verbindung mit Tabakprodukten konsumiert wird. (30) Mangels wissenschaftlicher Studien ist bisher allerdings noch nicht nachgewiesen, welche Kurz- bzw. Langzeitbeeinträchtigungen der chronische Konsum von reinem (31) Cannabis für das Lungen-Bronchial-System nach sich zieht. Trotz diverser Studien, die keine Verbindung zwischen der Entstehung von Krebs und dem Rauchen von Cannabis nachweisen konnten, (32) ist hier grundsätzlich von ähnlichen potentiellen Beeinträchtigungen auszugehen, wie beim Tabak- bzw. Tabak-Cannabisgebrauch. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass der Rauch von verbranntem Cannabis, der Zusammensetzung des Tabakrauches sehr ähnelt, was insbesondere für die Konzentration an Kohlenmonoxid, Teer und Nietrosamine gilt. (33) Bezüglich der Höhe an Benzopyren existieren hingegen noch keine aussagekräftigen Studien. (34) Zu widersprechen ist hier somit der zum Teil verbreiteten These (35), wonach der Rauch von Cannabis mehr Teer und andere Krebserregende Stoffe enthalte wie Tabakrauch und damit schädlicher sei. Dabei bleibt zu erwähnen, dass das Rauchen von Pflanzenmaterial -gleich welcher Art- grundsätzlich mit dem Risiko verbunden ist , Schädigungen der Lunge hervorzurufen. (36) Um so mehr muss daraufhingewiesen werden, dass der Inhaltsstoff THC selbst, weder krebserregende noch sonstige funktionelle Auswirkungen auf die peripheren Luftwege bzw. Lungenbläschen hat. (37) Die Diskussion um vermeidlich steigende THC-Wirkstoffgehalte geht an dieser Stelle folglich ins Leere. Das voran Gesagte gilt darüber hinausgehend auch nur insofern, als Cannabis in Form von Joints bzw. Pur geraucht wird. Neue Techniken, wie z.B. die Verdampfungsmethode mittels sog. Vaporizers (38), können sowohl die Bildung von Teer, als auch die Entstehung von Kohlenmonoxyd auf ein Minimum reduzieren, (39) wodurch Lungen- und Bronchialschäden stark reduziert werden können. Und durch die orale Cannabisaufnahme (40) wird dieses Risikopotential logischerweise sogar auf null Prozent reduziert. Weitere darüber hinausgehende und immer wieder fälschlicherweise angeführten Auswirkungen eines dauerhaften und regelmäßigen Konsums wie etwa auf das Immun-system (41), die Entstehung von Allergien (42), die Sehorgane (43), Hormone (44), Schwangerschaft, Embryos und Neugeborene (45), die Anatomie des Gehirns (46) sowie Flashbacks (47) das Auftreten von konnten trotz unzähliger nationaler und Internationaler Studien bis heute nicht nachgewiesen bzw. nicht dem Konsum von Cannabis zugeschrieben werden. (48) Zum Teil besteht jedoch bezüglich Einzelfragen noch Forschungsbedarf. (49) So ist z.B. unklar, wie sich cannabisbedingte Hormonschwankungen innerhalb der Pubertät auswirken. (50) Mangels eindeutiger wissenschaftlicher Erkenntnisse können diesbezüglich keine expliziten Angaben gemacht werden. Jedoch wird hier die Ansicht vertreten, dass Jugendliche und Heranwachsende grundsätzlich über den Gebrauch jeglicher Droge aufgeklärt bzw. davon ferngehalten werden sollten. Gleiches gilt selbstverständlich für Schwangere. Insgesamt muss hier aber folgendes deutlich gemacht werden: Auch wenn die Forschung noch nicht abgeschlossen ist, so handelt es sich bei Cannabis um die besterforschte Substanz weltweit, die eine ca. 100 jährige Forschungsvergangenheit (51)aufweist. Aus diesem Grund und hinsichtlich der Tatsache, dass im Jahre 2004 allein in Europa zwischen 0,5 % und 2,3 % der Gesamtbevölkerung und damit im Schnitt 250.000 Menschen einen täglichen Konsum pflegten (52), stellt sich die Frage, wie ernsthafte Schäden bisher hätten verborgen bleiben können. Vielmehr hätten die unzähligen nationalen und internationalen Untersuchungen potentielle gravierende körperliche Beeinträchtigungen entdecken müssen, sofern solche existieren. Im Ergebnis ist deshalb davon auszugehen, dass der bisherige wissenschaftliche Kenntnisstand über die physischen Langzeiteffekte als gesichert angesehen werden muss. Danach sind die körperlichen Auswirkungen chronischer Art mit denen des Tabakkrauchens vergleichbar. Hieran ändert auch die Tatsache nichts, dass in einigen Bereichen weiterhin Forschungsbedarf besteht. Sofern diesbezüglich immer noch von Folgen wie z.B. der organischen Schädigungen des Gehirns, der Abgabe von THC in den Organismus auch zwei Wochen nach Einnahme (53) sowie dem Auftreten von Echoräuschen gesprochen wird, beruht dies auf einzelnen und insgesamt nicht bestätigten bzw. fragwürdigen (54) Studien bzw. aus schlichter Unkenntnis des aktuellen Forschungsstandes.

b. Psychische Langzeiteffekte

Bei der Untersuchung von psychischen Reaktionen stellt sich insbesondere die Schwierigkeit, dass diese, im Gegensatz zu den eher feststellbaren körperlichen Effekten, nicht messbar sind. So ist es für die Forschung in diesem Bereich notwendig, sich auf die subjektiven Äußerungen und Beschreibungen der Versuchspersonen zu verlassen, während objektive Beobachtungswerte in Form von Messungen hier kaum möglich sind. (55) Da jedoch aus den objektiven Beobachtungen auch allgemeinverbindliche Schlussfolgerungen abgeleitet werden können, spielen bei der Beurteilung der psycho-sozialen Wirkungen sowohl die subjektiven, als auch objektiven Komponenten eine entscheidende Rolle. (56)

aa. Auswirkungen des chronischen Cannabiskonsums auf die allgemeine psychische Gesundheit

An dieser Stelle muss zunächst deutlich betont werden, dass sich die folgende Darstellung lediglich auf psychisch abhängige Konsumenten (57) bezieht. Nicht abhängige Cannabis-gebraucher weisen im Vergleich zu abstinenten Menschen keine nennenswerten Unterschiede in der psychischen Gesundheit auf. (58) Die Tatsache, dass Personen, bei denen eine psychische Cannabisabhängigkeit diagnostiziert wurde, häufig auch an kognitiven, psychotischen, affektiven und unspezifischen Befindlichkeitsstörungen sowie Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen leiden (59), wirft dabei die Frage auf, inwiefern Cannabis hier für die Verursachung der Störungen verantwortlich ist. Zahlreiche Studien, (60) welche die Auswirkungen des Cannabiskonsums auf die allgemeine seelische Verfassung zum Untersuchungsgegenstand hatten, konnten hingegen keine eindeutigen Evidenzen ermitteln, dass der Konsum von Cannabis mit einer Verschlechterung der psychischen Gesundheit oder des psychischen Wohlbefindens verknüpft ist. (61) Dabei wurden unter dem Begriff der psychischen Gesundheit auch Teilaspekte wie psychische Beschwerden, Lebenszufriedenheit, emotionale Probleme, Selbstwertgefühl, Neurotizismus, Psychotizismus, Ängstlichkeit, affektive Störung, Depressionen und Soziopathie, sowie Angst-, Verhaltens-, Aufmerksamkeits- und emotionale Störungen untersucht. (62) Auch wenn zum Teil eine Verbindung zwischen der Einnahme von Cannabis und dem Auftreten seelischer Unzufriedenheit (63) hergestellt wurde, so konnte bisher nicht abschließend ermittelt werden, inwiefern Cannabis tatsächlich der Auslöser hierfür war. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass bei mehr als 70 % der betroffenen abhängigen Cannabiskonsumenten, eine andere Störung für das mangelnde Wohlbefinden verantwortlich ist. (64) Hinsichtlich jugendlicher Konsumenten besteht zudem ein breiter wissenschaftlicher Konsens darüber, dass die meisten Teenager, die psychische Probleme sowie Verhaltensstörungen aufweisen und zu starkem Cannabiskonsum neigen, schon vor dem Gebrauch von Cannabis sowohl seelische und emotionale Schwierigkeiten, als auch Abweichungen im Verhalten aufwiesen. Bei sozial integrierten Jugendlichen besteht eine sehr viel geringere Gefahr, einen problematischen Konsum zu entwickeln. Inwiefern dabei unterschiedliche Familien- beziehungen Einfluss auf das Konsumverhalten nehmen, ist noch ungeklärt. (65) Auch wenn der Konsum von Cannabis folglich die Sorgen und Probleme von Jugendlichen zu verstärken vermag, so kann keinesfalls davon die Rede sein, dass Cannabis selbst die alleinige Ursache für psychische Störungen der genannten Art darstellt. (66) Insbesondere scheint es absurd, an dieser Stelle mit Tierversuchen (67) zu argumentieren, um hieraus entsprechende Empfindlichkeiten in der Adoleszenz abzuleiten. (68) Vielmehr muss gerade das Probieren und Experimentieren mit Cannabis im Jugendalter als Zeichen für eine gesunde Psyche gesehen werden. (69)

bb. Cannabiskonsum und die Entwicklung von Psychosen

Zu den in jüngster Vergangenheit angeführten Horrorszenarien ist unzweifelhaft die Entstehung von Psychosen zu zählen. (70) Für die Frage, ob der chronische Gebrauch (71) von Cannabis zu andauernden Psychosen führt, muss die „schizophrene Psychose“ den Gegenstand der Untersuchung darstellen. Der Grund ist darin zu sehen, dass der früher verwendete und mittlerweile abgelehnte Begriff der „Cannabispsychose“ vielmehr dem Krankheitsbild von Schizophrenien gleicht. (72) Hierbei muss weitergehend differenziert werden, ob der Gebrauch von Cannabis bestehende Schizophrenien zu verstärken vermag, oder ob durch den Konsum von Cannabis eine schizophrene Psychose auslöst werden kann. Hinsichtlich der ersten Fragestellung ergaben Studien, (73) dass ein Gebrauchsmuster von ein bis zweimal täglich, keine signifikante Verschlechterung sowohl der Wahn-, als auch der Halluzinationssymptome (sog. Plussymptomatik) (74) nach sich zieht, während ein mehrfacher täglicher Cannabiskonsum die Plussymptomatik verstärken kann. (75) Bezüglich der sogenannten Minussymptomatik (Antriebs- und Motivationslust) (76), die nach akuten Krankheitsschüben auftritt, steht dabei kein ausreichendes Studienmaterial zur Verfügung, so dass hier nur Vermutungen angestellt werden können. Danach besteht aber die Möglichkeit, dass vor allem ein gemäßigter Cannabiskonsum zu einer Verbesserung der Minussympto- matik führt. (77) Ungeklärt ist damit noch, ob der Konsum von Cannabisprodukten auch den Auslöser für den Ausbruch schizophrener Psychosen darstellen kann. Durchgeführte Untersuchungen (78) hierzu lassen dabei noch keine eindeutigen Ergebnisse zu. So wiesen im Rahmen einer schwedischen Untersuchung zwar mehr Männer eine schizophrene Erkrankung auf, die vorher öfter als 50 mal Cannabis konsumiert hatten, als Männer mit weniger als 50 Cannabiserfahrungen. (79) Dabei hatten jedoch alle Probanden, die später an Schizophrenie erkrankten, bereits vor Auftritt der Krankheit Medikamente wegen Nervenproblemen eingenommen, kamen aus einem zerrütteten Elternhaus und hatten Probleme mit der Schule und der Polizei. Zudem wurde zum Teil auch der Gebrauch vom Amphetaminen festgestellt.(80) Weitere Studien ergaben hingegen ebenfalls ein erhöhtes Risiko an schizophrenen Psychosen zu erkranken sofern psychosevulnerable Personen Cannabis konsumierten. (81) Inwiefern hier eventuelle Vorerkrankungen bzw. soziale und psychische Probleme am Eintritt der Psychose beteiligt waren, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden. (82) So lässt sich nach anderer Auffassung gerade nicht belegen, dass der Gebrauch von Cannabis als Ursache für ausgelöste Psychosen herangezogen werden kann. Als Bestätigung dieser Aussage wird angegeben, dass auf Grund der ansteigenden Konsumentenzahlen, als logische Konsequenz auch die Zahl von schizophrenen Erkrankungen ansteigen müsste, sofern Cannabis als Auslöser in Frage käme. Dies konnte jedenfalls in den entsprechenden Studien bisher nicht nachgewiesen werden. (83) Dennoch muss auch trotz der bisher unvollständigen und zum Teil widersprüchlichen Untersuchungsergebnisse von der Möglichkeit ausgegangen werden, dass chronische und stark konsumierende Gebraucher mit einer psychischen Vorbelastung ein größeres Risiko trifft an einer schizophrenen Psychose zu erkranken. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass in den entsprechenden Fällen häufig auch ohne den Konsum von Cannabis, mit dem Ausbruch der Krankheit zu rechnen wäre. (84) Ein ursächlicher Zusammenhang von Cannabiskonsum und Schizophrenie, als Beitrag zum Gesamtrisiko, an einer Schizophrenie zu erkranken, ist damit insgesamt gering und in den meisten Fällen zu vernachlässigen. (85) Inwiefern hingegen anderweitige, nicht ermittelte bzw. nicht ermittelbare Faktoren den eigentlichen Grund für den Ausbruch darstellen, ist nicht abschließend geklärt. (86) Hierauf, und auf die Tatsache, dass wenn überhaupt nur ein sehr kleiner Konsumentenkreis von dieser potentiellen Folge betroffen ist, wird jedoch leider häufig nur in einem Nebensatz und in der Regel nach seitenlangen Ausführungen über Schizophrenieerkrankungen nach Cannabiskonsum hingewiesen. (87)

c. Auswirkungen des Cannabiskonsums auf die Gehirnleistung

Nachdem oben bereits erwähnt wurde, dass der Gebrauch von Cannabis nicht nachweislich zu organischen Schädigungen des Gehirns führt, soll folgend dargestellt werden, ob und inwiefern ein chronischer Cannabiskonsum eine Beeinträchtigung der Gehirntätigkeit bezüglich Aufmerksamkeit, Gedächtnis und allgemeiner intellektueller Leistungen bedingt. Auch auf diesem Gebiet wurden bereits seit Beginn der 70er Jahre zahlreiche Studien durchgeführt, die aufgrund der Untersuchungsbedingungen jedoch zum Teil nur geringe Aussagekraft besitzen bzw. sogar zu entgegengesetzten Ergebnissen kamen (88) Eine eindeutige und abschließende Beurteilung ist deshalb auch zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Dennoch lässt sich zusammenfassend festhalten, dass insbesondere noch 12 bis 24 Stunden nach der letzten Cannabiseinnahme, Beeinträchtigung hinsichtlich des Gedächtnis, der Aufmerksamkeit und der Reaktionsfähigkeit vorliegen, wobei solche Einschränkungen noch in direktem Zusammenhang mit der akuten Cannabiswirkung stehen und daher keine Aussagekraft hinsichtlich eventueller Langzeitbeeinträchtigungen haben. (89) Lag dabei zwischen der letzten Cannabiseinnahme und den jeweiligen Tests ein größerer Zeitraum, gaben einige der durchgeführten Untersuchungen ebenfalls Anlass für die Vermutung, dass anhaltende Beeinträchtigungen der Gehirnleistung durchaus möglich sind. (90) Es darf dabei jedoch nicht übersehen werden, dass in den meisten Fällen ein Unterschied zwischen Konsumenten und Nichtkonsumenten, wenn überhaupt, nur für einen variierenden Anteil der durchgeführten Test festgestellt werden konnte. (91) Zudem fanden sich die zum Teil ermittelten Leistungseinschränkungen häufig ausschließlich bei Personen, die über mehrere Jahre mehrfach täglich Cannabis konsumierten, so dass kognitive Abweichungen insbesondere im Zusammenhang mit bestimmten Konsummustern gesehen werden müssen. (92) Bei Personen z.B., die zwischen zwei- und siebenmal wöchentlich konsumierten, ergaben Studien hingegen keine signifikante Verringerung der Leistungsfähigkeit. (93) Darüber hinaus wurde zum Teil auch ermittelt, dass mögliche Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit nach einer Abstinenzphase nicht mehr nachweisbar waren. (94) Als Begründung hierfür kommt eine durch Cannabiskonsum bedingte Erhöhung des Blutflusses im Gehirn in Betracht, welcher sich jedoch je nach Konsumdauer und Frequenz innerhalb von Tagen bzw. Wochen wieder normalisiert. (95) Inwiefern deshalb davon ausgegangen werden kann, dass ein chronischer Cannabiskonsum grundsätzlich zu relevanten Gehirnleistungseinbußen führt, ist nicht geklärt. (96) Hinsichtlich der durchgeführten Studien kann jedoch gesagt werden, dass auch ein langfristiger Konsum von Cannabisprodukten nicht zu groben kognitiven Defiziten führt. Und auch massive Beeinträchtigungen des Gedächtnisses, der Aufmerksamkeit und der kognitiven Funktionen, wie man sie bei chronischem schwerem Alkoholkonsum findet, sind in der Form einem übermäßigen Cannabisgebrauch ebenfalls nicht zuzuschreiben. (97) Jedoch scheint die Vermutung nahe zu liegen, dass höhere kognitive Funktionen auf subtile und selektive Art, durch einen andauernden und stark frequentierten Cannabisgebrauch beeinträchtigt werden können. (98) Ob und inwiefern sich dies allerdings in der Bewältigung alltäglicher Aufgaben niederschlägt, ist ebenfalls ungeklärt. Auch hier kann jedoch mit der bereits oben erwähnten hohen Anzahl an Konsumenten mit täglichem Konsum in Europa argumentiert werden. So dass erneut die Frage auftaucht, wie starke Leistungseinbußen so lange unbemerkt bleiben konnten. Dies gilt umso mehr, als dass herausgefunden wurde, dass Menschen aus höheren Bildungsschichten häufiger Cannabis konsumieren, als Menschen aus niedrigeren Bildungsschichten. (99) Ob dies auch für die Personen gilt, die in sehr jungen Jahren mit einem chronischen Cannabiskonsum begonnnen haben, oder ob hier eher mit später auftauchenden Beeinträchtigungen zu rechnen ist, kann dabei ebenfalls nicht abschließend beurteilt werden. (100) Jedenfalls kann nach der Studie von DeLisi et al. davon ausgegangen werden, dass der Cannabiskonsum Jugendlicher nicht mit Veränderungen des Gehirns einhergeht. (101) Wie aber bereits mehrfach erwähnt, lässt sich die Gefahr einer Substanz nicht allein an der Gefährlichkeit für bestimmte Konsumentengruppen wie z.B. Jugendliche oder Starkkonsumenten festmachen.

d. Soziale und sonstige Auswirkungen eines chronischen Cannabisgebrauchs

Hinsichtlich der Schwierigkeiten, bezüglich der Feststellung von Auswirkungen, die ihre nichtorganische Ursache im Cannabisgebrauch finden, gilt hier das eingangs unter Abschnitt 2b Gesagte entsprechend. Zu klären ist dabei zunächst, wie es sich mit dem erneut vorgeholten Argument verhält, dass durch den Gebrauch von Cannabisprodukten die Wahrscheinlichkeit steigt, auch andere Drogen zu konsumieren. Darüber hinaus soll auch darauf eingegangen werden, ob ein starker, langanhaltender Cannabiskonsum zu Persönlichkeitsveränderungen im Antriebs-, Aktivitäts- und Leistungsbereich führt, so dass es zur Entstehung eines sog. „amotivationalen Syndroms“ (102) kommen kann.

aa. Cannabis als Einstiegsdroge

Die Frage, inwiefern der Gebrauch von Cannabis dazu führt, auch andere illegale Drogen zu konsumieren, war lange Zeit umstritten. (103) Mittlerweile besteht jedoch weitestgehende Einigkeit darüber, dass eine Vielzahl opiatabhängiger Personen Cannabis zwar als erste illegale Substanz konsumierte, (104) dass im Gegensatz dazu aber der größte Teil der Cannabisgebraucher eben gerade nicht auf andere illegale Substanzen, insbesondere auf Opiate, umsteigt. (105) Das zwischen dem Konsum von Cannabis und der Einnahme anderer illegaler Drogen ein kausaler Zusammenhang besteht, ist folglich abzulehnen. (106) Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass viele Drogengebraucher zunächst Alkoholika wie Bier und Wein oder aber Zigaretten konsumieren. (107) Der Konsum von Cannabis liegt dabei zeitlich nach den Erfahrungen mit den genannten legalen Drogen und kann gefolgt sein von einem eventuellen Konsum anderer illegaler Drogen. Folglich stellen Cannabisprodukte, wenn überhaupt, nur eine Zwischenstufe dar. (108) So hat auch das BVerfG eine Schrittmacherfunktion abgelehnt, soweit damit die stoffliche Eigenschaft der Cannabisprodukte angesprochen wird. (109) Einen gewissen Umsteigeeffekt auf andere illegale Drogen hat das Gericht jedoch in Bezug auf die Einheitlichkeit des Drogen-Schwarzmarktes angenommen. Hinsichtlich der Tatsache, dass Cannabiskonsumenten bei der Besorgung von Cannabis bei ihrem Dealer, auch in Kontakt zu weiteren illegalen Drogen kommen, wäre die Möglichkeit erhöht, auch diese anderen Substanzen zu probieren. (110) Mittlerweile muss jedoch angezweifelt werden, dass die Vorstellung eines subkulturellen Drogenmilieus in Bezug auf Cannabis noch der Realität entspricht. In vielen Fällen kann davon ausgegangen werden, dass das Cannabis privat über Freunde und Bekannte gekauft wird, so dass der Gang in die Drogenszene nicht mehr erforderlich ist. (111) Sofern dies nicht der Fall ist, kann eine Schrittmacherfunktion dennoch nicht der Substanz Cannabis zugeschrieben werden. Denn Grund für die Einheitlichkeit des Schwarzmarktes ist ausschließlich die Kriminalisierung, so dass diese als Grund für potentielle Kontakte zu anderen Drogen erachtet werden muss. Folglich lässt sich die These der „Einstiegsdroge“ für Cannabis aus keinem Blickwinkel mehr aufrechterhalten. (112) An diesem wissenschaftlich einhelligen Ergebnis können auch ein möglicher Wirkstoffanstieg oder entsprechende staatsanwaltliche Plädoyers nichts ändern.

bb. Amotivationales Syndrom

Unter dem sogenannten „amotivationalen Syndrom“ wird vorwiegend verstanden, dass Symptome wie allgemeine Antriebs- und Aktivitätsreduktion, Gleichgültigkeit bezüglich den Ansprüchen des täglichen Lebens, fehlende Zielgerichtetheit bzw. Zukunftsorientierung, Mangel an Leistungsorientierung sowie die Konzentration auf augenblickliche lustbetonte Ziele beim Konsumenten auftreten. (113) Fraglich ist dabei, inwiefern ein wie auch immer gearteter Cannabiskonsum zwangsläufig zum Eintritt der Symptomatik führt, bzw. ob die Ursache des amotivationalen Syndroms tatsächlich in dem Konsum von Cannabis zu finden ist, oder ob andere psychische Probleme den Konsumenten zu einem solchen Verhalten veranlassen. Zahlreiche durchgeführte Untersuchungen an Studenten und Arbeitern innerhalb und außerhalb von Laborbedingungen (114) kamen jedoch zu dem Schluss, dass der Konsum von Cannabis gerade nicht zu den beschriebenen Demotivationserscheinungen führt. (115) So konnte die Symptomatik, die eigentlich dem amotivationalen Syndrom zugeschrieben wird, auch bei Nichtkonsumenten beobachtet werden. (116) Andererseits sind auch unter den Cannabiskonsumenten Personen zu finden, die extrem leistungsorientiert sind. (117) Eine kausale Verbindung zwischen dem Konsum von Cannabis und abnehmender Leistungsmotivation ließ sich folglich nicht ermitteln. (118) Grundsätzlich kann im Vergleich zu Nichtkonsumenten dennoch gesagt werden, dass Cannabisgebraucher zwar weniger, aber keines Falles wenig leistungsorientiert sind. (119) So sind cannabiserfahrene Personen häufiger normal leistungsmotiviert als cannabisunerfahrene bzw. cannabisabstinente Menschen, während cannabisunerfahrene bzw. –enthaltsame Personen häufiger hoch leistungsorientiert sind. (120) Ein Grund hierfür kann darin gesehen werden, dass ein Teil der Menschen, die Cannabis gebrauchen, bereits vor Beginn des Konsums eine Lebensweise bevorzugten, die weniger leistungs- und karriereorientiert ist. Der Gebrauch von Cannabis, mit der sowohl entspannenden als auch dämpfenden Wirkung, fügt sich dementsprechend in die gewünschte Lebensweise ein. (121) Andererseits scheinen Personen, die extrem leistungsmotiviert sind, gerade nicht empfänglich zu sein für einen mehr oder weniger anhaltenden Gebrauch von Cannabis. (122) Die These vom amotivationalen Syndrom als typische Folge eines Cannabiskonsums ist dementsprechend abzulehnen. (123) Auch dieses Ergebnis ist dabei unabhängig vom THC- Gehalt des konsumierten Cannabisproduktes gültig.

e. Physische und psychische Substanzabhängigkeit

Nach international entwickelten Klassifikationssystemen ICD-10 (124), DSM-IV (125) wird von einer Abhängigkeit nur dann gesprochen, wenn eine Mindestzahl an Kennzeichen aus den Kriterienlisten erfüllt ist. Diese Listen enthalten Merkmale wie den verstärkten Wunsch, die Substanz erneut einzunehmen; Schwierigkeiten hinsichtlich der Konsumkontrolle; anhaltender Substanzgebrauch trotz schädlicher Folgen; Auftreten von Entzugssymptomen nach Absetzen der Substanzeinnahme; Entwicklung einer bedeutsamen Toleranzentwicklung die zur Dosissteigerung führt und mangelnde Prioritätensetzung hinsichtlich den Aufgaben des täglichen Lebens, wie Schule, Beruf, sozialen Betätigungen und Freizeitaktivitäten, wobei dem Konsum Vorrang vor anderen Aktivitäten und Verpflichtungen gegeben wird. (126)

aa. Physische Cannabisabhängigkeit

Grundsätzlich versteht man unter einer körperlichen Abhängigkeit, dass beim Absetzen der betreffenden Substanzen Entzugserscheinungen auftreten. Entzugserscheinung sind dabei entweder definiert als die der Substanz typischerweise anhaftenden Abstinenzreaktionen, oder als ein Verhalten, dass sich darin äußert, die gleiche oder eine ähnlich wirkende Substanz zu konsumieren, um so den Entzugserscheinungen abzuhelfen bzw. vorzubeugen. (127) Zusätzlich kann es bei einer körperlichen Abhängigkeit zu Toleranzentwicklungen kommen. (128) Dabei ist unter Toleranzentwicklung zu verstehen, dass trotz fortgesetzter Einnahme einer gleichbleibenden Substanzmenge, ein herabgesetzter Effekt eintritt, worauf der abhängige Konsument die entsprechende Menge steigert, um so die gewünschte Wirkung herbeizuführen. (129) Bei der Frage, inwiefern diese Symptome auch dem Gebrauch von Cannabis zuzuschreiben sind, muss zwischen unregelmäßigem bzw. vorübergehendem und chronischem Konsum unterschieden werden.

aaa. Gelegentlicher bzw. episodischer Konsum

Toleranzerscheinungen treten, wenn überhaupt, nur dann auf, sofern THC in sehr hohen Dosen (130) und über längere Zeiträume eingenommen wird, so dass es zur Entwicklung einer chronischen Intoxikation kommt. (131) Folglich führt ein gemäßigter bzw. vorübergehender Gebrauch nach allgemeiner Auffassung weder zu einer Toleranzbildung, noch zu einer körperlichen Abhängigkeit, so dass auch die Möglichkeit eventueller Entzugssymptome abzulehnen ist. (132)

bbb. Chronischer Konsum

Wie gerade angesprochen, können Toleranzerscheinungen auftreten, sofern Cannabis in großen Mengen und über einen dauerhaften Zeitraum eingenommen wird. (133) Dabei betreffen die Toleranzwirkungen den Anstieg des Pulsschlages sowie das ́High`-Empfinden. (134) Durchgeführte Studien kommen jedoch auch hierbei zu unterschiedlichen Ergebnissen, was sich aber mit differierenden Dosisvergaben erklären lässt. (135) Dabei konnte bisher noch keine wissenschaftliche Erklärung für die Toleranzentwicklung gefunden werden. (136) Als Grund für die grundsätzlich anzunehmende Toleranzentwicklung werden pharmakodynamische Prozesse angegeben. (137) Trotz potentieller Toleranzentwicklung erfolgt eine Dosissteigerung dabei jedoch typischerweise nicht hinsichtlich der verwendeten Cannabismenge, sondern -wenn überhaupt- hinsichtlich der Konsumfrequenz. (138) Dabei wurde aber auch festgestellt, dass Toleranzbildungen gegenüber den einzelnen Cannabis- Wirkungen durchaus schnell reversibel sind. (139) Hinsichtlich der Tatsache, dass die Toleranzentwicklung bei Cannabis häufig gerade nicht zu einer Dosissteigerung führt, muss die Frage gestellt werden, ob dass Kriterium der Toleranzentwicklung damit überhaupt als erfüllt zu betrachten ist. So ist auch nach dem Kriteriensystem DSM die Toleranzbildung nicht zwingend auf Cannabis anwendbar. (140) Ob deshalb noch von der Möglichkeit einer physischen Dependenz gesprochen werden kann, richtet sich unter anderem danach, ob nach Absetzten der Cannabiseinnahme Entzugserscheinungen auftreten. Durchgeführte Untersuchungen hierzu haben ergeben, dass bei einem Teil der Probanden nach Absetzten der THC-Vergabe leichte Symptome wie Verwirrung, innere Unruhe, Schlafstörungen, geringerer Appetit, Übelkeit, vermehrtes Schwitzen, übermäßiger Speichelfluss, erhöhte Körpertemperatur, Zittern und Gewichtsverlust auftraten, (141) wobei auch hier die Untersuchungen nicht immer zu eindeutigen bzw. auf den Menschen übertragbaren Resultaten kamen. (142) Sofern jedoch Entzugserscheinungen auftraten, klangen diese innerhalb der folgenden Stunden bzw. Tage ab. (143) Lediglich vereinzelte Personen litten darüber hinausgehend an länger andauernden Schlafstörungen. (144) Bei vielen Konsumenten blieb dabei die eben beschriebene Entzugsymptomatik gänzlich aus. (145) Folglich ist das Auftreten der als schwach (146) bzw. mild (147) zu bezeichnenden Entzugssymptome keine zwingende Konsequenz eines chronischen Cannabiskonsums. (148) Dabei geht auch das Diagnosesystem DSM davon aus, dass die Entzugssymptomatik bei Cannabiskonsumenten im allgemeinen nicht auftritt. (149) Demnach kann auch bei dauerhaftem Cannabiskonsum, wenn überhaupt, nur von der Möglichkeit einer extrem schwachen physischen Abhängigkeit gesprochen werden, die, wo sie denn auftritt, weder ein ernstes Problem für den Cannabisgebraucher darstellt, noch dazu veranlasst, den Konsum weiterhin zu betreiben. (150) Hierfür spricht auch die Tatsache, dass die Einstellung jeglichen Cannabisgebrauches nicht nur jederzeit, sondern auch immer mit der gleichen Wahrscheinlichkeit möglich ist. (151) Hinsichtlich dieses Ergebnisses muss deshalb davon ausgegangen werden, dass Cannabis eine im Allgemeinen nicht physisch abhängig machende Substanz ist. (152) Sofern diesbezüglich von verzögerten Entzugserscheinungen (153) gesprochen wird, handelt es sich um eine verzerrende Darstellung. Richtig ist zwar, dass sich die Abbauprodukte von THC je nach Konsumgewohnheit noch mehrere Tage bis Wochen im menschlichen Fettgewebe nachweisen lassen. Dies gilt aber ausschließlich für solche Cannabinoide, die keinerlei psychotrope Wirkung entfalten. Die THC-Bestandteile selbst, die für den berauschenden Effekt des Cannabis verantwortlich sind, haben sich bereits nach wenigen Stunden in unwirksame Verbindungen umgewandelt. (154) Aus diesem Grund hat der konkrete THC-Wert des verwendeten Cannabisproduktes deshalb auch keinen Einfluss auf das Auftreten von Entzugserscheinungen. (155)

bb. Psychische Substanzdependenz

Psychische Abhängigkeit wird als ein durch Drogen verursachter, innerer Zustand seelischer Zufriedenheit beschrieben, der mit der Tendenz einhergeht, die Droge periodisch oder dauerhaft zu gebrauchen, um auf diese Weise ein Gefühl des Glücks zu produzieren bzw. empfundenes Unbehagen zu vermeiden. (156) Deshalb muss immer zunächst die Unterscheidung getroffen werden, ob ausschließlich die entsprechend befragten Cannabiskonsumenten sich selbst als abhängig bezeichnen, oder ob dies auch nach den genannten Klassifikationssystemen zutrifft. (157) Dies wird in den Darstellungen über die Folgen des Cannabiskonsums leider nicht immer deutlich gemacht. (158) So gaben in einer durchgeführten Studie 23 % der befragten, ausschließlich cannabiskonsumierenden Personen an, abhängig von Cannabis zu sein. (159) Eine Einschätzung nach den Kriterien der DSM-IV ergab hingegen eine Abhängigkeitsrate von lediglich 2 %. (160) Diese Zahl stieg hingegen, sofern neben Cannabis auch andere illegale Substanzen konsumiert wurden. Hier lag die Cannabisdependenzrate bei 8 % der untersuchten Gesamtgruppe. (161) Bei der Klassifizierung des Schweregrades der Abhängigkeit (162) konnte bei 1 % der Abhängigen eine schwere Symptomatik festgestellt werden. (163) Andere Studien kamen dabei zu ähnlichen Ergebnissen, so dass feststeht, dass der Anteil an abhängigen Cannabis-Konsumenten nur einen geringen Teil der Gesamtgebraucher ausmacht. (164) Die überwiegende Anzahl an Konsumenten gebraucht bzw. gebrauchte demnach das Cannabis, ohne jemals psychisch dependent gewesen zu sein bzw. zu werden. Ein Grund hierfür ist darin zu sehen, dass der Konsum von Cannabis häufig nur ein verübergehender Zustand im Jugendalter darstellt, der mit Beginn des Erwachsenenalters regelmäßig eingestellt wird. (165) Unabhängig hiervon bleibt zudem zu erwähnen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Abhängigkeit grundsätzlich nicht mit der Dauer des Konsums steigt. (166) Dagegen wird ein frühes Alter beim Erstkonsum mit einem intensiverem Gebrauchs- verhalten im weiteren Verlauf in Verbindung gebracht. (167) Neuere Studien haben jedoch ergeben, dass ein häufigeres Einnehmen von Cannabis bei Jugendlichen eher selten festzustellen ist. (168)Ungeklärt ist damit aber noch, welche Faktoren zu einer entsprechenden Abhängigkeit führen können. Auffällig ist, dass ca. 80 % aller dependenten Personen mindestens eine weitere psychische Störung aufwiesen, während innerhalb der nichtabhängigen Untersuchungsgruppe die Anzahl hier einen Satz von 28 % betraf. (169) Diese Unterschiede werden noch gravierender, sofern spezielle Störungen als Untersuchungsgegenstand herangezogen wurden. So litten 27,6 % der abhängigen Personen an einer antisozialen Persönlichkeitsstörung, während dies „nur“ auf 1,9 % der nichtabhängigen Probanden zutraf. Angststörungen wie z.B. Phobien und Panikstörungen konnten ebenfalls bei 21,6 % bzw. 7,8 % der Abhängigen diagnostiziert werden, im Unterschied zu 8,0 % bzw. 0,8 % bei Nichtabhängigen. Depressionen wiesen 18,6 % der Abhängigen auf, im Gegensatz zu 7,9 % der Nichtabhängigen. Dabei lag das durchschnittliche Auftrittsalter deutlich unterhalb des Alters, in welchem regelmäßig mit dem Drogenmissbrauch begonnen wurde. (170) Auch die Selbsteinschätzung befragter Personen gehen mit diesen Ergebnissen einher. (171) So gaben abhängige Konsumenten bedeutend häufiger an, weniger selbstwirksam und einsamer zu sein, als nichtabhängige Gebraucher dies beschrieben. (172) Die Gesamtbetrachtung der durchgeführten Studien lässt folglich den Schluss zu, dass Personen, die eine Cannabisabhängigkeit entwickelten, überwiegend bereits vor Konsumbeginn auch unter weiteren psychischen bzw. sozialen Störungen litten. (173) Ob sich daraus aber auch ableiten lässt, dass das aus psychischen Störungen resultierende mangelnde Problembewältigungssystem der betreffenden Konsumenten, zu der Einnahme und im Weiteren zur Anhängigkeit von Cannabis führt, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Daneben besteht auch die Möglichkeit, dass die Wirkungen des Cannabis selbst den eigentlichen Antriebsfaktor darstellen, Cannabis bis hin zur Entwicklung einer entsprechenden psychischen Dependenz zu konsumieren. (174) Der oben bereits angeführte Kreis an Menschen, die nicht zum Konsum von Cannabis geeignet sind, muss damit hinsichtlich möglicher psychischer Folgeprobleme, um psychovulnerable Personen erweitert werden. Für diesbezüglich nicht vorbelastete Menschen ist aber weder mit dem Eintreten einer Cannabisabhängigkeit noch mit dem Auftreten sonstiger psychischer Probleme als Folge des wie auch immer gearteten Cannabiskonsums zu rechnen. Auch dieses Ergebnis steht dabei losgelöst von den durchschnittlichen THC-Werten.

f. Die Frage nach dem Anstieg des THC- Gehaltes

Bereits seit geraumer Zeit wird bei der Diskussion um die Gefahren des Cannabiskonsums häufig ein zum Teil „sprunghafter“ THC-Anstieg als Begründung für die Verwehrung von Verfahrenseinstellungen und für die Abstufung der „geringen Menge“ auf bundeseinheitliche 6 g angeführt. (175) Dies ist insofern erstaunlich, als dass die hierzu durchgeführten Untersuchungen aus dem Jahr 2002 einhellig zu dem Ergebnis kamen, dass der durchschnittliche Wirkstoff-Gehalt von Marihuana sowohl auf dem deutschen (176), als auch auf dem europäischen (177) Markt im Vergleich zu den Vorjahren (178) grundsätzlich als stabil zu (179) erachten ist. Danach lag der durchschnittliche THC-Gehalt bei Marihuana und Haschisch nicht nur in Deutschland, sondern in den jeweils untersuchten europäischen Ländern, allgemein zwischen etwa sechs bis acht Prozent. (180) Umso mehr verwundert es dann, dass in einem jüngst erschienen Artikel ein bundesweit durchschnittlicher THC-Gehalt von 9 % Wirkstoffgehalt als Beleg für den sprunghaften Anstieg angeführt wird. (181) Dabei ist der Vergleich der Autoren mit Werten aus dem Jahr 1993 zwar grundsätzlich als Indiz für eine langfristige Erhöhung des THC-Gehaltes zu sehen, inwiefern hier die Zahlen aus dem Jahr 1993 aber dem gleichen wissenschaftlichen und technischen Forschungsstand entsprechen, wird nicht näher beschrieben. Zudem bleiben die Autoren bei ihrer Darstellung nicht ganz unerhebliche Informationen schuldig. So führen sie z.B. nicht aus, dass die Wirkstoffgehalte entsprechend nach Straßenhandel, Kleinhandel und Großhandel unterschieden werden müssen. (182) Danach werden im Großhandel Preissteigerungen von um die 10 % für Marihuana festgestellt. Vermutungen zur Folge, könnte dies in Verbindung mit einem steigenden Wirkstoffgehalt stehen. Aber auch wenn dies noch unklar ist, so steht bereits jetzt fest, dass beim Endverbraucher – und damit beim Konsumenten- eine solche Differenzierung in der Qualität bisher nicht zu finden ist. (183) So wurde hier im Vergleich zum Vorjahr für das Jahr 2005 sogar ein Rückgang des mittleren THC- Gehaltes festgestellt. (184) Dieser Abfall ist dabei insbesondere auf den rückläufigen mittleren Wirkstoffgehalt von Marihuana zurückzuführen, der 2005 bei 6 % lag, während 2004 ein Wert von durchschnittlich 9,9 % ermittelt wurde. Insgesamt lagen die THC-Werte für Marihuana und Haschisch auch 2005 im Schnitt nach wie vor bei 8 %. Sofern hier ein leichter Anstieg Richtung 9 % zu vermerken ist, so ist hier zu betonen, dass die jeweilig ermittelten Zahlen durch sog. Zufasseffekte stark verändert werden können. ( So wurden im Jahr 2005 rund 94.000 Cannabispflanzen beschlagnahmt, was seit 1999 die größte Zahl beschlagnahmter Pflanzen darstellt. Im Vergleich zu 2005 stellt dies eine Steigerung von 40 % dar. (186) Die ermittelten Werte sind folglich immer auch unter dem Einfluss solcher Bedingungen zu betrachten. Insgesamt kann damit gesagt werden, dass allenfalls langfristig ein geringer Anstieg des Wirkstoffgehaltes zu verzeichnen ist. Dabei macht die aktuelle Kenntnislage aber ebenfalls deutlich, dass solche Entwicklungen von bisher nicht einkalkulierbaren Schwankungen abhängig sind. Ob der Trend des mäßigen Wirkstoffanstiegs dabei auch zukünftig anhält, kann dabei nicht mit Sicherheit gesagt werden. Vielmehr besteht auch die Möglichkeit, dass sich der absteigende Trend, der sich bei Marihuanaprodukten im letzten Jahr durchgesetzt hat, auch weiter anhält, bevor es dann wieder zu einem Anstieg kommt. Als Argument für eine wie auch immer geartete Strafschärfung kann die Entwicklung des THC-Gehaltes jedenfalls nicht herhalten. Dies gilt insbesondere deshalb, da die potentiellen physischen, psychischen und sozialen Auswirkungen des Cannabiskonsums nicht vom THC-Gehalt, sondern vielmehr vom jeweiligen Konsummuster des Konsumenten abhängig sind. So kann auch starkes Cannabis entsprechend gering bzw. wirkstoffarmes Cannabis entsprechen hoch portioniert werden, um den gewünschten Rausch zu erzielen. Je höher allerdings der THC Gehalt ist, desto weniger Substanz wird benötigt, wodurch gesundheitliche Schädigungen des Lungen-Bronchial-Systems reduziert werden können. Insgesamt stellt die Diskussion um ansteigende THC-Gehalte damit ein in sich unschlüssiges und konstruiertes bzw. instrumentalisiertes Argument dar.

II. Zusammenfassung und Stellungnahme

Abschließend soll nochmals betont werden, dass mit dem vorliegenden Artikel nicht bezweckt werden soll, die potentiellen Risiken, die der Konsum von Cannabis nach sich ziehen kann, zu verharmlosen. So ist allgemein bekannt, dass es ausschließlich die eingenommene Dosis ist, welche die Gefährlichkeit bzw. Ungefährlichkeit einer Substanz bestimmt. (187) Aus diesem Grund wird es dabei auch seit längeren abgelehnt, eine Einteilung in „weiche“ und „harte“ Drogen vorzunehmen. Zutreffender ist es vielmehr, von „harten“ und „weichen“ Gebrauchsmustern zu reden. (188) Dies wird insbesondere bei der momentanen Diskussion um Folgen falscher Ernährung in Deutschland sichtbar. (189) Ziel dieses Beitrages war es daher, einen objektiven Überblick über den wissenschaftlichen Kenntnisstand der nationalen und internationalen Forschung zu vermitteln. Danach bestehen nach wie vor potentielle Risiken, die mit dem Gebrauch von Cannabis einhergehen. Diese sind jedoch nicht nur entsprechend kalkulierbar, sondern im Vergleich zu anderen legalen und illegalen Drogen, auch gesellschaftlich und politisch tragbar. Dies gilt dabei insbesondere für die Möglichkeit der psychischen Abhängigkeit. Nicht nur, das eine solche sich bei denkbar vielen Tätigkeiten wie beispielsweise Einkaufen, Sport, Essen, Sex sowie Computerspielen etc. entwickeln kann, darüber hinausgehend ist der Kreis der betroffenen Personen im Vergleich zur Konsumentenzahl als gering zu erachten. Dabei soll natürlich nicht verschwiegen werden, dass auch der Konsum von Cannabisprodukten nicht von jeder Person unbedenklich betrieben werden kann. So ist Herz-Kreislauf-Patienten, Schwangeren, psychisch labilen Personen als auch aktiven Verkehrsteilnehmern vom Konsum abzuraten. Dies betrifft allerdings nicht ausschließlich Cannabis, sondern trifft auch auf jede andere legale bzw. illegale psychotrop wirkende Substanz zu. Bezüglich des Konsums seitens Jugendlicher kann dabei nichts anderes gelten. Auch hier sind entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um einen missbräuchlichen Gebrauch zu verhindern. Jedoch können die potentiellen Folgen, die bei Jugendlichen und Heranwachsenden aufgrund eines wie auch immer gearteten Cannabiskonsums eintreten können, nicht als Anlass genommen werden, um die Diskussion der rechtstaatlich gebotenen Freigabe von Cannabisprodukten (190) zu verfälschen. (191) Auch kann dies nicht die Forderung rechtfertigen, die geringe Menge im Rahmen der Einstellungsmöglichkeiten bundes- einheitlich auf verfassungsrechtlich fragwürdige 6 g zu begrenzen. (192) Denn die Tatsache, dass eine Substanz für bestimmte Bevölkerungsgruppen Gefahren birgt, kann für die grundsätzliche Bewertung der Risikopotentiale nicht ausschlaggebend sein. So würde auch niemand auf die Idee kommen, bestimmte Lebensmittel wie z.B. Nüsse zu verbieten, nur weil es Menschen gibt, die auf den Konsum mit zum Teil lebensbedrohlichen Allergien reagieren. Hier ist vielmehr zu untersuchen, wie sich die Einnahme einer Substanz auf den durchschnittlichen und damit „normalen“ Konsumenten auswirkt. Sofern dies als Grundlage der Gefahreneinschätzung von Cannabisprodukten gemacht wird, kann dann aber nicht anderes gelten, als dass der moderate Gebrauch von Cannabis von Nicht-Risiko- Konsumenten als relativ ungefährlich zu erachten ist. Hieran kann auch ein potentieller Anstieg des THC-Gehaltes nichts ändern. Denn sofern es zu zukünftig tatsächlich zu einem signifikanten Anstieg des THC-Gehaltes kommen sollte, ist dies eher mit unterschiedlich starken Alkohol- und Kaffeegetränken wie beispielsweise Bier und Schnaps sowie Milchkaffe und Espresso zu vergleichen. Je nach Rauschbedürfnis wird die mildere oder stärkere Variante vom Konsumenten vorgezogen, bzw. von dem einen oder anderen mehr oder weniger konsumiert. Die vom Cannabis ausgehenden potentiellen Risiken hängen dabei gerade nicht von der Höhe des Wirkstoffgehaltes ab. Zudem muss an dieser Stelle auch noch mal erwähnt werden muss, dass ein unkontrollierter Anstieg des THC-Gehaltes ausschließlich in der vorliegenden Kriminalisierung begründet liegt. Sofern sich der Deutsche Gesetzgeber in Übereinstimmung mit der Verfassung für eine reglementierte Abgabe entscheiden würde, könnte der Staat sowohl den Verunreinigungsgrad, den Pestizid- und Schimmelbefall als auch den Wirkstoffgehalt entsprechend kontrollieren. Zudem könnte so – mehr jedenfalls als es die Kriminalisierung vermag- verhindert werden, dass eine Abgabe an Jugendliche erfolgt. Insgesamt ist daher die verfälschende Darstellung von einer ansteigenden, neu entdeckten oder gar „medizinisch erwiesenen“ (193) Gefährlichkeit in jeder Hinsicht kontraproduktiv. Erreicht wird damit ausschließlich, dass noch mehr ansonsten konform lebende Konsumenten in strafrechtliche Ermittlungsverfahren und den vielfältig belastenden Folgen verwickelt werden. Darüber hinausgehend wird auch die benötigte objektive Auseinandersetzung mit dem Thema fast unmöglich gemacht.

Dr. Nicole Krumdiek, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bremen und Mitglied des Bremischen Instituts für Kriminalpolitik (BRIK). Quellenverweise unter https://www.encod.org/info/-Studien-.html

Forstsetzung folgt…

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