Artikel aus der Mainpost zu Volkers Verurteilung

 

WÜRZBURG März 2008

Joint gegen die Dauerschmerzen: Strafe

Ein Würzburger Patient kämpft dafür, Cannabis als Arznei nehmen zu dürfen
Zwei Jahre auf Bewährung hat der Würzburger Volker Krug vor Gericht bekommen. Weil er mit seinem Medikament erwischt wurde: Cannabis.

Seine Wohnung hatte er schon gekündigt. Er hatte auswandern wollen, nach Holland. Oder besser noch: nach Spanien. Da ist es warm, da gibt es Cannabis-Clubs. Da gerät man nicht in Gefahr, wenn man mit zwei, drei Gramm herumläuft. Da bekommt man Tagesrationen, sauber angebaut zum humanen Preis. "Mir war klar, ich hau hier ab", sagt Volker Krug. Einen Infostand in Würzburg wollte er vorher noch machen. Am 10. Juli, seinem 40. Geburtstag. Es wurde nichts aus Spanien. Es wurde auch nichts aus dem Infostand. Zwei Tage vorher wurde Krug am Würzburger Busbahnhof verhaftet. Mit 225 Gramm Marihuana aus Amsterdam.

Für die Justiz ist Cannabis eine Droge. Für Volker Krug ist es ein Mittel zum (Über-)Leben. Mit einem Analabszess war es losgegangen, 1984. 16 Jahre war Volker Krug damals alt, lernte Metzger und fraß die Schikanen des Lehrherrn in sich hinein. Doch statt Würste zu brühen und Schweine auszunehmen, machte Krug "Karriere" als Patient. Seine Diagnose: Morbus Crohn. Jahrelang litt Krug unter heftigsten Schüben der chronisch entzündlichen Darmerkrankung, lag wochen- und monatelang im Krankenhaus, schluckte Unmengen Cortison. Wenn er aus der Klinik entlassen wurde, verkroch er sich daheim. Was bleibt einem übrig, bei 30 Stuhlgängen am Tag. Die Ärzte verschrieben Traumal, "das macht stumpf im Kopf". Irgendwann war der Darm kaputt und Krug auf 41 Kilo abgemagert, da legten die Ärzte einen künstlichen Darmausgang. 22 Jahre war er alt und bereits berufsunfähig geschrieben. Frührentner also, mit künstlichem Darmausgang. Der wurde zwei Jahre später von rechts nach links verlegt, weil sich eine Fistel gebildet hatte. "Körperlich ging’s dann besser, psychisch gar nicht", sagt Krug.

1994 kamen zu den Dauerschmerzen im Bauch Schmerzen im Kreuz. Die Diagnose: Morbus Bechterew. Ein entzündliches Rheuma, das die Gelenke versteift. Ebenfalls nicht heilbar. Volker Krug schluckte 20 bis 30 Tabletten täglich. Cortison, Morphin, Immunsupressiva, Antidepressiva. "Hammermedikamente", sagt der 40-Jährige. Die Nebenwirkungen waren heftigst. "Ich bin chronisch verseucht", sagt Krug. "Das Cortison von damals baue ich wahrscheinlich heute noch ab." Zwei Mal versuchte er, sich das Leben zu nehmen.

Und dann kam der Tag, an dem Volker Krug das Lachen wiederfand. Er rauchte den ersten Joint seines Lebens. Eine Entdeckung! "Eine Pflanze tut mir besser als die ganze Chemie." Hanf nahm ihm die Schmerzen. Machte ihm endlich wieder Appetit. Volker Krug rauchte. Konnte wieder lachen. Braute sich aus Marihuana Tee. Konnte wieder schlafen. Hatte weniger Schübe. "Wenn die Psyche besser ist, ist auch der Crohn besser." Volker Krug suchte sich einen Job als Aushilfe an der Tankstelle, weil er wieder was machen konnte, weil die Tage wieder Sinn bekamen.

"Die Pflanze ist besser als die ganze Chemie"

Volker Krug

Nur eines passte nicht: die Heimlichkeit. Krug hatte es satt, die Leute, die eigene Familie anzulügen. "Die Eltern haben immer gedacht, ich trinke." Wenn er schon offen zu seinem künstlichen Darmausgang, zu seiner Krankheit stehen sollte, dann auch zu seinem Medikament: "Es gehört dazu." Vor fünf Jahren ging Volker Krug zur Polizei und zeigte sich an. Er fand, er habe ein Recht auf die Topfpflanzen auf dem Balkon. Man müsse nur seine Krankenakten durchgehen und schauen, wie schlecht vor zehn, 15 Jahren die Leberwerte waren, kurz vor der Zirrhose. Jetzt sind die Werte wieder im Normbereich, das vergrößerte Organ hat sich erholt.

Seit zwei Jahren kommt Krug ohne Chemie aus. "Ich mach da keinen Blödsinn damit", sagt Krug über das Kraut. "Ich mach das, damit ich durch den Tag komme und wenigstens etwas Spß am Leben habe." Doch Cannabis ist eine Droge. Wer das Fläschchen mit dem Extrakt aus der Apotheke will "72,6 Prozent, aufgelöst in Sesamöl", muss höhere Auflagen erfüllen als ein Patient, dem der Arzt ein Betäubungsmittel auf Rezept verschreibt. Vor eineinhalb Jahren stellte der Frührentner beim Bundesamt für Arzneimittel den Antrag, sein Medikament in der Apotheke holen zu dürfen. Cannabis-Extrakt aus dem Fläschchen, legal verschrieben, das wär’s. Erst zwei Patienten haben von der Bundesopiumstelle die Ausnahmegenehmigung bekommen. Die Bewilligungsprozedur ist aufwändig, Volker Krug hatte kein Glück. Statt in die Apotheke, ging er im Sommer 2007 in den Knast.

Vom Anstaltsessen wurde ihm schlecht. Durchfälle und Bauchkrämpfe plagen. Zwei Jahre zuvor war er schon einmal in der JVA eingesessen, wegen einer Geldstrafe, die er nicht bezahlen konnte und wollte. Damals hatte er nach 14 Tagen hinter Gittern rund zehn Kilo weniger gewogen. Auch jetzt wieder geht es ihm hinter Gittern immer schlechter. Der Haftrichter hat ein Einsehen. Volker Krug kommt gegen Auflagen frei.

Das Urteil: zwei Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung. Volker Krug nimmt jetzt "Dronabinol", in dem nicht alle Inhaltsstoffe der Pflanze enthalten sind, sondern nur der Hauptwirkstoff THC. Dronabinol ist teuer, eine Zweimonatsration kostet 420 Euro. Die Kasse bezahlt es nicht. Krug sagt: "Es macht ein wenig Hunger. Aber es nimmt nicht die Schmerzen." Es unterdrückt nicht die Rheuma-Schübe.

Volker Krug darf sich nicht mehr erwischen lassen. "Am liebsten wäre es mir, wenn man sagt: Du darfst das Cannabis auf Deinem Balkon anbauen." Er will einen neuen Antrag stellen bei der Bundesopiumstelle. Oder: Spanien. Spanien ist immer noch ein Traum. "Da würde ich als Kranker nicht diskriminiert."

QUELLE: mainpost.de

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